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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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war denn nur der Umschaltknopf? Er war definitiv im falschen Film.
    »Gut, Robert, dann schau halt mal in der Bibel nach«, sagte der Chefinspektor und atmete tief ein. »Sag mir Bescheid, falls du etwas Brauchbares entdeckst.« ›Was ich aber zu bezweifeln wage‹, fügte er im Stillen hinzu.
    »Wird erledigt«, sagte Bender und verließ das Büro seines Vorgesetzten, der mit heißem Wasser seinen Tee aufgoss, ausgiebig gähnte und sich wunderte, wo sein Assistent nach einer durchgearbeiteten Nacht noch so viel Energie hernahm.
    »Ach ja«, schrie Bender von draußen. »Sie sollen bitte Bürgermeister Endres anrufen.«
    »In Ordnung«, sagte Morell. Zunächst goss er aber erst mal die
Pflanzen, die zuhauf in seinem Büro standen, und blickte dabei wehmütig auf seinen Schreibtisch. Normalerweise war er penibelst aufgeräumt, doch heute türmten sich ungeordnete Papiere und Notizen darauf. Außerdem hatte Bender Morells Computer in ein gelbes Kunstwerk, bestehend aus Post-it-Zetteln, verwandelt. Der Chefinspektor wusste, dass Jammern nichts half, nahm das Telefon zur Hand und wählte die Nummer des Rathauses.
    »Bürgermeister Roland Endres’ Büro«, meldete sich eine Frauenstimme.
    »Chefinspektor Morell hier. Herr Endres wartet auf meinen Rückruf.« Er holte tief Luft und hoffte inständig, dass der Bürgermeister ihn nicht mit den bärtigen Engeln belästigen würde.
    »Einen kleinen Moment bitte, ich stelle Sie durch.«
    »Endres!«, meldete sich kurz darauf die sonore Stimme des Bürgermeisters.
    »Guten Morgen! Hier spricht Morell. Sie baten um meinen Rückruf.«
    »Guten Morgen, Morell. Sie können sich ja sicherlich denken, warum ich mit Ihnen sprechen möchte.« Der Bürgermeister war ungehalten und machte keinerlei Anstände, dies zu verbergen.
    »Nein, aber Sie werden es mir gewiss gleich sagen.« Morell war durch den ruppigen Ton seines Gesprächspartners ein wenig verunsichert, was er aber halbwegs verbarg.
    »Mir ist zu Ohren gekommen, dass irgendjemand den guten Josef Anders umgebracht und dann am Baugerüst hinter der Kirche aufgehängt hat. Ich will sofort wissen, was es mit der Sache auf sich hat! Es ist Ihr Job, für das Wohl der Gemeinde zu sorgen! Wie zur Hölle konnte so etwas nur passieren?« Endres’ Stimme war zu einem Donnerwetter angeschwollen.
    ›Krankmelden‹, schoss es Morell durch den Kopf. ›Ich lege mich zwei Wochen ins Bett und lasse die Innsbrucker Kollegen die Drecksarbeit machen. Sollen die sich doch mit der ganzen Sache und dem aufgebrachten Bürgermeister herumschlagen.‹ »Nun ja,
Herr Endres«, sagte er und hustete schon einmal vorsorglich. »Sie verstehen sicherlich, dass ich über eine laufende Ermittlung keine Auskünfte geben kann.«
    »Umso besser«, schnaubte der Bürgermeister. »Ich will nicht, dass irgendetwas von dem, was vorgefallen ist, an die Öffentlichkeit dringt. Ein Mord in Landau! Sie können sich ja ausmalen, was das für uns bedeuten kann.«
    »Nicht wirklich.« Morell wusste, was der Mord für
ihn
bedeutete, konnte sich aber nicht wirklich vorstellen, warum der Bürgermeister deswegen so ausrastete.
    »Stellen Sie sich nicht so blöd an!«, brüllte Endres. »Der Tourismus ist dieses Jahr schon wieder zurückgegangen. Wir können auf keinen einzigen Feriengast verzichten!«
    »Natürlich«, sagte Morell und hustete noch einmal.
    »Ich wünsche so schnell wie möglich eine Aufklärung dieser unangenehmen Sache, und bis dahin nehmen Sie in der Öffentlichkeit das Wort ›Mord‹ nicht in den Mund.«
    »Natürlich«, Morell verlor langsam die Nerven. Wie sollte er einen Mörder finden, wenn es offiziell gar keinen Mord gab? War die ganze Situation denn nicht schon schlimm genug?
    »Ich werde die lokalen Medien, das Landesreisebüro und das Tourismusamt in Innsbruck informieren«, fuhr der Bürgermeister fort. »Wir werden die Sache als bedauerlichen Unfall deklarieren, dessen genaue Umstände noch nicht geklärt sind. Ich bestehe darauf, dass auch Sie diesen Terminus verwenden.«
    »Es war aber kein bedauerlicher Unfall, sondern ein eiskalter Mord«, erklärte Morell genervt und simulierte erneut einen Hustenanfall. Er musste sich schwer zusammenreißen, keinen Streit vom Zaun zu brechen.
    Die Stimme des Bürgermeisters begann zu vibrieren. »Solange wir keinen Täter vorweisen können, will ich das Wort ›Mord‹ gefälligst nicht mehr hören! Kein Mensch will seinen Urlaub in einem Ort verbringen, in dem ein Mörder frei herumläuft. Stellen
Sie

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