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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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stinkende Schmeißfliege. Und das ist nicht nur meine Meinung. Es gibt jede Menge andere Leute hier im Ort, die mindestens genauso sauer auf ihn waren wie ich.«
    »Zum Beispiel?«, wollte Morell wissen und zückte seinen Notizblock.
    »Fragen Sie doch einmal Sascha Genz, was er von Anders hält«, sagte Kaiser und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette, wobei er seinen Mund wie eine Staubsaugerdüse formte. »Oder besser gesagt: was er von Anders hielt«, fügte er hämisch hinzu.
    Morell nickte. »Das werde ich machen«, sagte er und sah Karl Kaiser an. »Haben Sie ein Alibi für Samstagnacht?«
    Kaiser grinste wieder. »Fragen Sie doch die kleine Becky, die im ›Hype‹ arbeitet. Sie wird Ihnen bestätigen, dass ich die ganze Zeit schwer beschäftigt war.«
    »Das werde ich machen«, sagte Morell und trank seinen Tee aus. »Was passiert jetzt mit dem Grundstück?«, fragte er, als er aufstand.
    »Soweit ich weiß, gibt es außer mir zurzeit keinen anderen Interessenten, und unter uns gesagt, ich weiß, dass der junge Sobernicz
ein paar Spielschulden hat und mein Geld darum gut gebrauchen kann.« Kaiser zwinkerte Morell erneut zu, der so tat, als hätte er es nicht gesehen.
    Vor der Tür blieb Morell kurz stehen. »Eine Frage habe ich noch.«
    »Nur keine Scheu, Herr Chefinspektor. Immer nur heraus mit der Sprache. Sie wissen ja – ich habe nichts zu verbergen.«
    »Die kleine Becky ist doch nicht mehr minderjährig? Sie ist doch hoffentlich schon achtzehn?«
    »Vor zwei Monaten geworden«, grinste Kaiser und wischte sich wieder die gegelte Haarsträhne aus dem Gesicht.
    Morell drehte sich um und ging zu seinem Wagen. »Was für ein Arschloch«, murmelte er.
    Aus dem Auto funkte er Bender an. »Hallo, Robert, hier Morell, du musst noch ein wenig die Stellung halten, ich habe gerade einen Hinweis bekommen und fahre deshalb rüber zu Sascha Genz. Ach ja, und ruf doch bitte dringend die kleine Becky aus dem ›Hype‹ an und frag sie, was sie Samstagnacht gemacht hat.«
    »Becky Hagen?«, wollte Bender wissen.
    »Keine Ahnung wie sie heißt«, sagte Morell. »Ich dachte, du seiest öfters mal in der Spelunke?«
    Bender schwieg, was Morell in seiner Annahme bestätigte.
    »Sie arbeitet dort an der Bar. Du findest ihren Nachnamen sicher irgendwie heraus.«
    »Wird gemacht, Chef!«
    »Gut, und frag sie bitte auch gleich, ob irgendwer ihre Aussage bestätigen kann.«
    »In Ordnung«, sagte Bender. »Wird sofort erledigt!«
    Morell war zufrieden. Bender schien unter Druck wirklich brauchbar zu sein, und es gab endlich einen ersten Verdächtigen. Karl Kaiser hatte ein Motiv, ein schlechtes Alibi und das nötige Aggressionspotenzial für so ein Verbrechen. Vielleicht hatte er sogar seine Jungs, die solche schmutzigen Sachen für ihn erledigten.
    Der Chefinspektor trat aufs Gaspedal. Was wohl der nette Familienvater Sascha Genz mit der Sache zu tun hatte?
     
    Er fuhr an den Ortsrand, wo das kleine, weiße Einfamilienhaus der Familie Genz stand.
    Sascha Genz, ein alter Freund von Morell, war ein freundlicher, ruhiger Mann, der vor einiger Zeit einen schweren Schicksalsschlag hatte hinnehmen müssen. Bei einem Autounfall, den er selbst ohne den geringsten Kratzer überstanden hatte, wurde seine kleine Tochter querschnittsgelähmt.
    Früher schaute Genz öfters mal auf ein Bier im Wirtshaus vorbei und versäumte auch kein Treffen des Gartenbauvereins, aber seit dem Unfall drehte sich sein ganzes Leben nur noch um sein Kind. Alles andere war ihm egal. Er verließ das Haus kaum noch und wollte auch niemanden mehr sehen.
    Der Chefinspektor parkte seinen Wagen in der Einfahrt.
    An der Haustür hing selbst gebastelter Weihnachtsschmuck. Morell mochte solche Dinge. Er dachte gerade daran, wie schön es doch wäre, eine Frau und Kinder zu haben, die Weihnachtsdekoration für ihn basteln würden, als Genz die Tür öffnete.
    Morell erschrak. Es war ihm sehr wohl bewusst gewesen, dass es Sascha nicht sehr gut ging, aber dass es so schlimm war, hatte er nicht erwartet. Sein alter Freund sah schlecht aus. Seine Haut war grau und seine Wangen eingefallen – ein gebrochener Mann. Er war Anfang 40 , sah aber mindestens zehn Jahre älter aus.
    »Servus Otto«, sagte Genz. »Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern wird, bis es dich her verschlägt. Komm rein.«
    Als Morell an Genz vorbeiging, fiel ihm auf, dass dieser wahnsinnig viel abgenommen hatte. Zudem trug er einen verwaschenen, viel zu großen Trainingsanzug, der lose um

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