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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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seine Beine flatterte und ihn noch dünner wirken ließ, als er ohnehin schon war.
    Im Haus roch es ungelüftet, nach altem Bratenfett und Zigarettenqualm.
    »Ich habe seit dem Unfall ziemliche Konzentrationsschwierigkeiten und kann darum nicht mehr arbeiten. Seitdem geht Ilse jobben, und ich kümmere mich um Bea und den Haushalt. Scheint so, als müsste ich als Hausmann noch einiges dazulernen«, sagte Genz, als hätte er Morells Gedanken erraten.
    Sie gingen ins Wohnzimmer, wo sich Morell auf eine fleckige Couch setzte. »Du hast mich erwartet?«, fragte er.
    »Ja. Du kommst doch wegen dem Mord an Joe Anders, oder?«
    »Genau, und es würde mich brennend interessieren, was ausgerechnet du damit zu tun hast.«
    »Mit dem Mord selbst nichts«, sagte Genz, und Morell spürte, wie eine Welle der Erleichterung ihn durchfuhr. Er hätte sein Haus darauf verwettet, dass Genz kein Mörder war, aber das komische Verhalten seines alten Freundes hatte ihn trotzdem beunruhigt.
    »Aber ich bin froh, dass jemand Anders umgebracht hat, und es tut mir leid, dass ich es nicht war«, fuhr Genz fort und begann vor lauter Erregung leicht zu zittern.
    Morell wusste nicht, was er sagen sollte. Er erkannte den ansonsten so ruhigen und freundlichen Mann nicht wieder. »Dann lass mal hören, wie es so weit kommen konnte.«
    »Sieh dich doch um, wie es hier aussieht«, sagte Genz. »Sieh mich an, wie ich aussehe.« Er schaute Morell in die Augen. »Seit dem Unfall geht alles den Bach hinunter. Alles ist am Ende: Ich, meine Ehe, meine Familie. Und warum? Alles nur wegen Anders. Er war ein mieser Autohändler, der von den Wagen, die er verkaufte, keine Ahnung hatte. Und weißt du auch, warum? Weil ihn sein ganzes Geschäft und seine Kunden kein bisschen interessiert haben. Die ärgste Schrottkarre hat dieses verdammte Schwein mir angedreht, und jetzt können ich und meine Familie dafür büßen.«
    Der Unfall war nicht in Landau, sondern in einem der benachbarten Orte geschehen. Morell hatte daher keine Ahnung, was an dem Tag genau passiert war.
    »Ich sage dir eines, Otto, ich habe den Drecksack nicht umgebracht.
Ich stecke schon tief genug in der Scheiße. Bea wird nie wieder laufen können, und meine Frau gibt mir die Schuld daran, weil die Kleine nicht angeschnallt war. Dabei war es diese Schrottkarre – die Bremsen waren nicht in Ordnung. Alles wie neu, hatte Anders gesagt. Dass ich nicht lache! Gib mir Bescheid, sobald du weißt, wer es war, damit ich dem Kerl einen Geschenkkorb schicken kann.«
    »Aber ...«, wollte Morell ansetzen.
    »Kein Aber«, sagte Genz. »Der Mörder hat vielen Menschen hier einen Gefallen getan. Frag doch zum Beispiel einmal Frau Vogelmann, wer ihren Hund mit Absicht überfahren oder regelmäßig Müll vor ihre Haustür gekippt hat.«
    »Ich kenne die Geschichten. Frau Vogelmann war oft genug deswegen bei mir auf dem Revier.« Morell seufzte. »Es tut mir wirklich leid, Sascha, aber ich muss dich leider fragen, ob du für die Nacht von Samstag auf Sonntag ein Alibi hast.«
    »Schon in Ordnung, du machst ja nur deinen Job. Ich war hier zu Hause – die ganze Nacht.«
    »Kann Ilse das bestätigen?«
    »Ich habe hier im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Mit mir und Ilse läuft es nicht mehr gut. Ich glaube, sie wird mich bald verlassen.« Genz starrte ins Leere.
    Morell hätte gerne etwas Aufmunterndes gesagt, aber ihm fiel nichts ein. Er klopfte Genz daher auf die Schulter und blieb schweigend neben ihm sitzen. »Danke für deine Ehrlichkeit«, sagte er nach einiger Zeit. »Es tut mir leid, was passiert ist. Wenn du möchtest, dann lasse ich mir den Unfallbericht und die Gutachten schicken und sehe mir das mal an.«
    »Das wäre toll!«, sagte Genz und lächelte das erste Mal an diesem Morgen.
    »Gut, dann werde ich das sofort veranlassen, und wenn ich sonst irgendetwas für dich tun kann, dann lass es mich wissen – ich bin immer für dich da.«
    Genz nickte nur, und als Morell das kleine Haus verließ, war er sich nicht mehr ganz so sicher, ob es toll wäre, eine Frau und Kinder zu haben.

»Die Mutter liegt mir stets im Sinn,
zwölf lange Jahre flossen hin,
zwölf lange Jahre sind verflossen,
seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.«
    Heinrich Heine, Nachtgedanken
    Es war stockfinster, als Leander Lorentz sich in seine kleine Rostlaube setzte und in Richtung Innsbruck tuckerte. Herr Felber wollte um sieben Uhr morgens mit dem Helikopter von Innsbruck aus nach Landau losfliegen. Lorentz musste also gegen

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