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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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»Was gibt’s noch?«
    »Eine weitere Sache.« Bender nahm noch ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch. »Beate Adam war heute ganz früh hier und hat ihren Mann, den Andreas, als vermisst gemeldet. Er ist vorgestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Sie war sich sicher, dass er im Wirtshaus versumpft ist, und hat sich darum in der Nacht von Donnerstag auf Freitag nicht viel dabei gedacht, aber als er dann gestern Abend wieder nicht daheim aufgetaucht ist, hat sie begonnen, sich Sorgen zu machen.«
    »Dass er vorgestern im Wirtshaus hängengeblieben ist, habe ich mir schon gedacht«, sagte Morell. »Als ich den Kirchenwirt verlassen habe, war er bereits ziemlich lustig drauf. Hat sie bei Freunden und Bekannten angerufen?«
    »Das hat sie anscheinend versucht, aber durch das Schneechaos sind viele Leitungen noch beeinträchtigt. Sie hat darum noch nicht alle erreicht.«
    »Was denkst du? Müssen wir uns Sorgen machen?«
    Bender schüttelte den Kopf. »Ich denke, er hat sich mal wieder betrunken und sich dann nicht nach Hause getraut, weil er gewusst hat, dass er Ärger kriegen würde. Er hat bei einem Bekannten übernachtet und sich am nächsten Tag noch viel weniger getraut heimzugehen. Jetzt wartet er, bis Beate sich so große Sorgen macht, dass sie froh ist, ihn wiederzusehen.«
    »Das würde zu Andreas passen«, nickte Morell. »Was hast du zu Beate gesagt?«
    »Ich habe ihr gesagt, sie solle irgendwie versuchen, alle seine Freunde und Bekannten zu erreichen. Sollte er bei keinem von denen sein, dann soll sie wiederkommen.«
    »Sehr gut.«
    »Wir sind außerdem noch eingeschneit«, stellte Bender fest. »Weit weg kann der Gute also ohnehin nicht sein.«
    Morell stutzte kurz. Für den Bruchteil einer Sekunde überkam ihn ein schrecklicher Verdacht. Den verbannte er jedoch gleich wieder aus seinem Kopf, während er seinem Assistenten dabei zusah,
wie er eine lange Papierwurst aus dem Chaos auf seinem Tisch zog. »Der Unfallbericht für den Fall Genz, den Sie haben wollten, ist gestern auch noch per Fax gekommen«, sagte Bender und reichte Morell die aufgerollten Seiten.
    »Ach ja, richtig. Danke, Robert.« Der Chefinspektor schnupperte – es roch hier eindeutig nach Kaffee. »Sag mal, habe ich dir nicht gesagt, dass Kaffee fürchterlich schlecht für deinen Magen ist?«, fragte er. »Du wärst nicht der erste Polizist, der sich bei einer Mordermittlung ein Magengeschwür einfängt.«
    Bender zeigte unschuldig auf seine Tasse, in der ein Teebeutel schwamm.
    »Entschuldige«, sagte Morell und schüttelte den Kopf. »Da habe ich mich wohl getäuscht.«
    Morell ging zurück in sein Büro, wo er all die neuen Unterlagen studieren und sich überlegen wollte, wie er seine Unbedachtheit bei Frau Vogelmann wieder ausbügeln könnte. Währenddessen zog Bender einen Becher voll mit dampfendem Kaffee unter dem Schreibtisch hervor und nahm genüsslich einen Schluck. Seine Alibitasse, in der schon seit gestern ein Teebeutel schwamm, stellte er zur Seite.

»Der Poet hatte zu bedenken gegeben,
dass sie zwölf sein müssten.«
    Umber to Eco, Baudolino
    Lorentz klingelte pünktlich um zehn Uhr an der Tür von Morells Haus. Schließlich hatte er ja dem Chefinspektor versprochen, dass er und Capelli das Rätsel lösen würden. Und nachdem Lorentz mehrfach betont hatte, dass er seine Eltern nicht in die ganze Sache mit hineinziehen wolle, hatte Morell sich damit einverstanden erklärt, das Raten bei ihm zu Hause stattfinden zu lassen.
    Der Weg von daheim zum Haus des Chefinspektors war bei Tageslicht weit weniger bedrohlich und beängstigend gewesen, als gestern Nacht im Dunkeln. Da es außerdem der erste freundliche Tag seit langem war und der Schnee im Sonnenlicht glitzerte, hatte Lorentz das große Filetiermesser zu Hause gelassen und nur ein kleines Steakmesser mitgenommen.
    Der Himmel war blau und beinahe wolkenlos. Dieser schöne Anblick und der Gedanke daran, bald nicht mehr in Landau eingesperrt zu sein, lösten bei ihm eine Welle von guter Laune aus. Wahrscheinlich hatte Morell recht, und der Brief war nur ein böser Scherz. Jemand wollte ihn auf den Arm nehmen oder ihm beweisen, dass er auch ein wenig Bildung besaß. ›Na warte‹, dachte er sich. Wenn er denjenigen in die Finger kriegte, der ihm so einen
Schrecken eingejagt hatte, dann würde der so schnell keine Nachrichten mehr stempeln.
    Lorentz tat es leid, dass er gestern die Nerven verloren und sich vor dem dicken Morell und der kleinen Gerichtsmedizinerin so

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