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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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doch«, sagte er und zeigte auf einen Stuhl voller alter Zeitungen.
    Morell legte das Altpapier auf den Boden und setzte sich hin, während Genz stehen blieb. »Ich habe gehört, ihr beide hattet ein paar kleine Probleme, du und Andreas.«
    »Oh ja, das hatten wir«, gab Genz ohne Umschweife zu. »Dieser schmierige Versicherungsvertreter hat mir eine teure Versicherung angedreht, die nichts getaugt hat.«
    Morell beschloss, das Thema Verkehrssicherheit nicht weiter zu kommentieren und die Tatsache, dass Genz vergessen hatte, seine Tochter anzuschnallen, nicht zu erwähnen. »Findest du es gut, über ein Mordopfer herzuziehen, wenn der ermittelnde Chefinspektor vor dir sitzt?«, fragte er. »Du solltest ein wenig vorsichtiger sein, was du den Leuten erzählst.«
    »Warum?«, fragte Genz voller Trotz. »Ich habe eine Meinung, und zu der stehe ich auch. Wenn mich das in irgendeiner Weise verdächtig macht, dann bitte. Mir ist zurzeit alles egal!«
    Morell starrte seinen Freund fassungslos an.
    »Joe und Andreas waren beide Schweinehunde«, machte Genz weiter. »Dass sie tot sind, ist mir völlig egal. Beziehungsweise nein«, er hielt inne und sah Morell ins Gesicht. »Es ist mir nicht egal. Ich finde sogar, dass sie es verdient haben. Das kannst du von mir aus auch gerne schriftlich haben.«
    Sascha Genz war nicht wiederzuerkennen. Aus dem freundlichen Familienvater war ein verbitterter alter Mann geworden.
    »Dann frage ich dich jetzt, was du in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gemacht hast?«, sagte Morell.
    »Mei, dasselbe wie jede Nacht.« Genz öffnete den Kühlschrank und nahm sich eine Dose Bier heraus. »Im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen.«
    »Und vorgestern Nacht?«
    »Dito«, sagte Genz trocken, nahm einen kräftigen Schluck und
stellte die Bierdose auf den Tisch. »Ich glaube, du musst jetzt gehen, Otto. Ich muss mich um meine Tochter kümmern.«
    »Na gut«, sagte Morell, »lassen wir’s für heute dabei. Aber ich werde vielleicht noch einmal wiederkommen.« Er erhob sich und war froh, die trostlose Umgebung verlassen zu können.

»Der Jäger gab zwölf Flaschen von demselben Getränk,
bei dem der Handel geschlossen worden –
der Vagabund gab den Hund.«
    Marie von Ebner-Eschenbach, Krambambuli
    Capelli saß in Morells Wohnzimmer und tippte den Obduktionsbericht, als ihr Handy klingelte.
    »Capelli.«
    »Hallo, Frau Capelli, ich bin’s, Markus Levi.«
    »Hallo, Herr Kollege«, sagte sie. »Wie nett, dass Sie anrufen.«
    »Ich wollte eigentlich nur kurz nachfragen, ob unsere Verabredung zum Essen heute Abend noch steht.«
    »Natürlich. Sehr gern sogar.«
    »Na wunderbar. Sagen wir so gegen acht Uhr? Ich hole Sie ab.«
    »Na gut, acht Uhr«, sagte sie, gab Dr.Levi Morells Adresse und verabschiedete sich.
     
    Gegen sieben Uhr kam der Chefinspektor nach Hause.
    »Was für ein schrecklicher Tag«, seufzte er und ließ sich auf die Couch fallen. »Ich muss gleich etwas kochen!«
    »Du wirst heute wohl leider einmal ohne mich essen müssen«, sagte Capelli und wurde dabei ein wenig rot.
    »Warum das?«, wollte Morell wissen und ächzte, als Fred sich auf seinen Schoß setzte.
    »Ich bin doch mit Dr.Levi zum Essen verabredet.« Sie betrachtete Morell und Fred, die in trauter, dicker Zweisamkeit auf dem Sofa saßen.
    »Ach so ist das. Dann habe ich gestern also doch richtig gehört«, grinste Morell. »Und ich dachte immer, du hättest ein Auge auf unsern Dr.Lorentz geworfen.«
    »Leander? Auf gar keinen Fall!« Capelli war noch viel röter im Gesicht geworden. »Leander ist ein eingebildeter, überheblicher Macho ohne Manieren und Niveau.« Sie schnaubte, drehte sich um und verließ leicht eingeschnappt das Wohnzimmer.
    Morell starrte ihr nach. »Sie steht eindeutig auf ihn«, stellte er fest und kraulte Fred hinter den Ohren. »Komm, mein Dickerchen! Wir schauen mal, was der Kühlschrank so hergibt.«
     
    Capelli war in ihr Zimmer gegangen und hatte sich aufs Bett gesetzt. Sie schämte sich über ihre heftige Reaktion. Was war nur in sie gefahren? Warum hatte sie sich über Morells dumme Bemerkung nur so aufgeregt? Sie seufzte und ließ sich auf ihr Kissen fallen. Morell hatte völlig recht: Ja, sie war ein bisschen in Lorentz verschossen – und das war ihr mehr als nur peinlich. Sie musste Morell und vor allem sich selbst beweisen, dass sie eine erwachsene, gebildete Frau war. Heute Abend hatte sie eine Verabredung mit einem charmanten, kultivierten Arzt. Zum Teufel also mit der

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