Die Zahl
übrigens. Ich werde Bender morgen bitten, das zu recherchieren.«
»Und dann sind sie doch alle auch in Landau zur Volksschule gegangen«, stellte Capelli fest.
»Jeder Landauer ist in diese Schule gegangen. Wir haben ja nur diese eine«, klärte Lorentz sie auf. »Wenn das der gemeinsame Nenner ist, dann ist bald das ganze Dorf tot, inklusive mir und Otto.«
»Vielleicht nur ein bestimmter Jahrgang«, meinte Capelli.
»Nein, nur Joe, Thomas und Andreas waren gleich alt. Linda war ein Jahr jünger und Susanne und Raimund ein wenig älter.« Lorentz wandte sich an Morell. »Hast du denn gar keine Verdächtigen?«
»Doch, das schon. Es gibt einige Leute, die mit Andreas und Josef im Streit lagen, aber gegen die habe ich so gut wie nichts in der Hand.«
»Und wer sind die?«
»Sascha Genz, Karl Kaiser und Hubert Kröpfl, Kaisers Cousin und Türsteher im ›Hype‹.«
»Nur die drei?« Lorentz überlegte. »Soweit ich gehört habe, ist Joe in den letzten Jahren zu einem ziemlichen Miesepeter mutiert, und Andreas war eine alte Saufnase. Da müsste es doch eigentlich noch mehr Menschen geben, die auf die beiden nicht gut zu sprechen waren.«
Morell seufzte. »Natürlich gibt es da noch den einen oder anderen. Aber entweder haben die ein Alibi oder ich kann sie von vornherein ausschließen. Zum Beispiel Frau Vogelmann. Sie ist viel zu klein und zu gebrechlich, um einen Mord zu begehen.«
»Aber sie ist verrückt!« Lorentz dachte mit Abscheu an seine ehemalige Nachbarin. »Und Verrückte entwickeln manchmal Superkräfte. Beziehungsweise sind Irre oft mit einem sehr hohen IQ ausgestattet und können deshalb Mittel und Wege finden, um ihre körperliche Unterlegenheit wettzumachen.« Er konnte sich Frau Vogelmann sehr gut als psychopathische Massenmörderin vorstellen. Als er Morells rollende Augen sah, ruderte er jedoch wieder zurück. »Na ja, war nur so ’ne Idee ...«
»Wie sieht’s denn eigentlich mit unserer mörderischen Zahl aus?«, fragte Morell. »Nina hat mir erzählt, dass du ziemlich viel über die Zwölf herausgefunden hast.«
»Ach ja, richtig. Und bevor ich’s vergesse: Ich war heute auch nochmal in der Bücherei und habe nachgeschaut, zu welcher Literatur unser Mörder Zugriff hatte. Außer den Werken von Homer und Vergil konnte ich kein Buch finden, das sich mit der Zahl Zwölf oder Zahlen an sich beschäftigt. Was ich sonst alles über die Zwölf herausgefunden habe, habe ich zusammengefasst und ausgedruckt.« Lorentz stand auf, holte aus dem Vorzimmer eine Tüte und zog einen Papierstapel heraus.
Morell nahm die Aufzeichnungen entgegen. »Oh je«, sagte er, nachdem er die Unterlagen kurz durchgeblättert hatte. »Das ist aber ganz schön viel.«
Capelli sah Morell verschwörerisch an. »Du bezeichnest das als viel? Du hättest dabei sein sollen, als unser kleiner Professor hier lang und breit versucht hat, mich über die kulturgeschichtliche Bedeutung der Zahl Zwölf zu belehren.«
»Aber ich habe dir doch noch nicht einmal alles erzählt«, sagte Lorentz ein bisschen beleidigt. Er wandte sich Morell zu, der angefangen hatte, die Notizen durchzulesen. »Die Zwölf ist wirklich faszinierend. Sie spielt in jeder Religion und in jedem Kulturkreis zu jeder Zeit eine wichtige Rolle. Sag mir irgendein Land oder eine Epoche, und ich kann dir mindestens ein Beispiel nennen, wo die Zahl Zwölf von großer Bedeutung ist.«
»Tu es nicht«, warnte Capelli den Chefinspektor. »Sonst sitzen wir im Sommer noch hier.«
Lorentz bedachte sie mit einem bösen Blick. »Du kannst ja schon einmal das Geschirr wegräumen und anfangen abzuwaschen, wenn dich das Thema so sehr langweilt«, sagte er und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Morell zu. »Die Zahl ist wirklich wahnsinnig interessant«, machte er weiter. »Bei den Römern, den Griechen, den Germanen, den Wikingern, den Ägyptern und Babyloniern, bei den Inkas, Mayas und den Azteken, bei den Maori und den Aborigines, bei allen afrikanischen Völkern, den amerikanischen Ureinwohnern, den Inuit, den Kulturen des alten Japans und Indiens ...«
»Ja, ja, Herr Privatdozent«, mischte sich Capelli wieder ein. »Das ist ja alles schön und gut, aber wir müssen herausfinden, was die Zwölf für diesen Fall bedeutet und nicht für irgendeinen Kannibalenstamm in Zentralafrika.«
»Das ist mir wohl bewusst, Frau Leichenschnipplerin.« Lorentz sah Capelli genervt an. »Du, könnte ich wohl ein Bier haben?«, fragte er in Morells Richtung.
»Klar, ich hole dir
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