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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Lapp endlich gefasst wird.«
    »Wir wissen doch nicht einmal, dass er der Mörder ist!«, schreie ich.
    Sie blickt nervös zur Tür. »Bitte schrei nicht.«
    Mit aller Kraft kämpfe ich gegen die wachsende Panik in mir an, hole tief Luft. »Sarah, ich muss mit dir über damals reden.«
    Sie will sich von mir abwenden, doch ich lege ihr die Hände auf die Schultern und zwinge sie, mich anzusehen. »Es ist wichtig, dass du dich daran erinnerst. Denk zurück an den Tag. Ist es wirklich möglich, dass Daniel Lapp überlebt hat?«
    »Wenn er jetzt zurück ist, muss er überlebt haben.« Sie fährt mit zittrigen Fingern über den Halsausschnitt ihres schlichten Kleides. »Du hast ihn doch auch gesehen.«
    Die Psyche eines Menschen ist sehr mächtig. Wie der Körper, besitzt sie Mechanismen zum Schutz vor Traumata. So ist mir zwar der ungeheure Horror jenes Tages für immer ins Gehirn gebrannt, doch an die Vergewaltigung selbst erinnere ich mich nur bruchstückhaft und an meine Schüsse so gut wie gar nicht. Aber das Blut habe ich noch deutlich vor Augen. Blut an den Gardinen. An den Händen. Ein schimmerndes Meer auf dem Boden.
    So viel Blutverlust kann niemand überleben.
    »Da war zu viel Blut«, flüstere ich.
    »Was?«
    Ich sehe meiner Schwester fest in die Augen. »Bist du mit
Datt
und Jacob zum Getreidespeicher gefahren?«
    Sie starrt mich entsetzt an. »Nein.«
    »Woher weißt du dann, dass sie die Leiche vergraben haben?«
    »Ich habe
Mamm
und
Datt
darüber sprechen hören. In der Scheune. Ein paar Tage später.«
    »Was haben sie gesagt?«
    »Datt
sagte
Mamm,
er habe Daniel in die Grube gelegt, da würde man ihn niemals finden.«
    »In die Grube?« Mein Herz hämmert in meiner Brust. »Was heißt das? Was für eine Grube?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Brunnen. Ich habe nicht gefragt.«
    In die Grube …
    Die Worte purzeln mir im Kopf herum wie die Glassteine in einem Kaleidoskop. »Ich muss gehen.«
    Sarah sieht mich beunruhigt an. »Wohin?«
    »Daniel Lapp finden«, antworte ich und laufe die Treppe hinunter.

25. Kapitel
    Der Polizeichefin aufgrund eines halbgaren Verdachts zu folgen war wohl keine so gute Idee. Und jetzt, wo die Temperaturen stark fielen und es wirklich zu schneien anfing, musste John sich eingestehen, dass es einfach nur dumm gewesen war. Gerade wollte er den Wagen anlassen, als in einiger Entfernung Scheinwerfer die Dunkelheit durchschnitten. »Mist«, entfuhr es ihm.
    Er stand ungefähr fünfzehn Meter von der Wegeinmündung entfernt und konnte froh sein, wenn sie ihn nicht entdeckte – dazu brauchte sie nämlich nur ein bisschen genauer hinzusehen, bevor sie in die Straße einbog. Er war zwar ein guter Lügner, aber seine Anwesenheit hier zu erklären würde ihm einiges abverlangen. Und so sah er tief in den Sitz gesunken zu, wie der Explorer schlingernd auf die Straße einbog und Richtung Stadt davonraste.
    Erleichtert ließ John den Motor an, drehte die Heizung hoch und fuhr los. Er konnte nicht sagen, warum er ihr folgte. Kate Burkholder hatte nichts Unrechtes getan. Außer dass sie weder die Bundes- noch die Staatsbehörde um Unterstützung gebeten hatte, ermittelte sie den Mordfall genau so, wie auch er es an ihrer Stelle getan hätte.
    Allein die mysteriöse Nachricht, die ihm der Bürgermeister heute Morgen hatte bringen lassen, hatte sein Misstrauen geweckt. Wäre sie nicht vom amischen Bischof gekommen, hätte John sie als schlechten Scherz abgetan. Denn es war lächerlich anzunehmen, dass Kate die Identität des Mörders kannte, wie in der Nachricht behauptet wurde.
    Doch über die Jahre hatte John gelernt, seinem Instinkt zu vertrauen, und momentan sagte der ihm, dass Kate Burkholder etwas verheimlichte. Kannte sie den Mörder? War er ein Verwandter? Ein Liebhaber? Ein Amischer? Schützte sie ihn?
    Alle diese Fragen gingen ihm durch den Kopf, während er ihr Richtung Stadt folgte. Es war schon nach neun Uhr, und sie würde wahrscheinlich Feierabend machen, was ihm nur recht war. Eine Dusche und etwas in den Magen könnte er gut gebrauchen. Und nicht zu vergessen einen Drink …
    Doch Kate bog nicht in die Main Street ab, sondern fuhr auf dem Highway weiter Richtung Süden, und zwar ein bisschen zu schnell angesichts der Straßenverhältnisse. Neugierig geworden, folgte John ihr in sicherem Abstand nach Coshocton County.
    »Wo zum Teufel willst du hin?« Er machte die Scheinwerfer aus, als sie in eine wenig befahrene Straße abbog, und staunte nicht schlecht, als sie

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