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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Und er hat Dwayne Bargerhauser geholfen, einen Viehzaun aufzustellen. Er ist morgens weggegangen und nicht wieder zurückgekommen.«
    »Weißt du, was mit ihm passiert ist?«
    »Nein, das weiß ich nicht.
Datt
und ich haben mit allen geredet, für die Daniel gearbeitet hat, aber nach dem Tag hat ihn keiner mehr gesehen. Wir wissen nicht, wohin er gegangen ist oder warum.«
    Ich trete in die Küche und leuchte mit der Taschenlampe umher. Auf dem Unterschrank steht eine Tasse, am Holzhaken hängt ein flachkrempiger Hut, daneben ein Mantel. Zwar herrscht ein ziemliches Durcheinander, doch Anzeichen einer zweiten Person gibt es nicht. Vom Flur aus werfe ich einen Blick in die Toilette, dann gehe ich ins Schlafzimmer, sehe unterm Bett und im Schrank nach.
    Als ich die Treppe hocheile und immer zwei Stufen auf einmal nehme, steht Benjamin unten und ruft: »Warum machst du das?«
    Mit der Taschenlampe leuchte ich durch alle Zimmer im Obergeschoss: Das Erste ist vollkommen leer, im zweiten stehen ein Einzelbett, ein Nachttisch und eine Kommode. Der Schrank enthält schlichte Kleidung für einen einzelnen Mann. Das Handtuch im Bad ist feucht, auf dem Waschbecken liegt eine Zahnbürste.
    Als ich die Treppe wieder herunterkomme, erwartet mich Benjamin mit der Laterne in der Hand. »Wonach suchst du?«
    Ich ziele mit dem Strahl meiner Taschenlampe genau in sein Gesicht und sehe, wie sich seine Pupillen zusammenziehen. »Wenn sich herausstellt, dass du lügst, ist es egal, dass du amisch bist. Ich werde dich so in die Mangel nehmen, dass du wünschtest, im Gefängnis zu sein.«
    »Ich habe keinen Grund zu lügen.« Er wirkt beleidigt.
    »Dann erzähl mir was von deinem Bruder. Warum ist er weggegangen? Und wohin?«
    Meine Schnellfeuertaktik wirkt. Zum ersten Mal ringt er um Fassung. »Vielleicht wollte Daniel das einfache Leben nicht mehr.«
    »Und warum?«
    Er senkt den Blick. »Vielleicht konnte er den Grundsatz der Gelassenheit nicht mehr befolgen.«
    Das Wort »Gelassenheit« umfasst die Lebensphilosophie der Amischen: Gottergebenheit, andere immer wichtiger zu nehmen als sich selbst, ein zufriedenes und bescheidenes Leben zu führen.
    Ich will ihm nicht glauben; nichts wäre mir lieber, als dass Daniel Lapp aus dem Schrank springen würde und ich ihm ein paar Kugeln in den Kopf jagen könnte. Doch instinktiv weiß ich, dass der Mann hier die Wahrheit sagt. Noch eine Sackgasse.
    Obwohl ich nicht erwartet hatte, fündig zu werden, ist meine Enttäuschung groß. »Wenn Daniel Probleme gehabt hätte, wohin wäre er dann gegangen?«, frage ich. »Hatte er andere Freunde oder Familienmitglieder, denen er vertraute?«
    Benjamin schüttelt den Kopf. Unsere Blicke treffen sich. »Warum stellst du all diese Fragen?«
    »Ich gehe Hinweisen nach.«
    Er glaubt mir nicht, der Argwohn in seinen Augen ist offensichtlich. Doch daran kann ich nichts ändern.
    »Wenn er hier auftaucht, sag mir Bescheid. Egal zu welcher Tageszeit, Benjamin. Es ist wichtig.«
    Er nickt.
    Ich gehe zur Tür.
    »Ist mein Bruder in Schwierigkeiten?«, ruft er hinter mir her.
    Ich reiße die Tür auf und trete hinaus auf die Veranda. »Wir sind alle in Schwierigkeiten«, flüstere ich und eile zu meinem Wagen.
    · · ·
    Zu Hause werde ich vom Duft des Vanille-Potpourri empfangen, vermischt mit dem Geruch des gestrigen Abfalls. Ich bin nicht die tollste Hausfrau der Welt, aber bei mir ist es gemütlich und sauber. Nach diesem höllischen Tag bin ich heilfroh, wieder in meinen eigenen vier Wänden zu sein.
    Ich knipse das Wohnzimmerlicht an, ziehe die Stiefel aus und lasse sie neben der Tür stehen. Die Jacke werfe ich aufs Sofa, schnalle im Gehen das Pistolenhalfter auf und lege es zusammen mit der . 38 er auf die Flurkommode. Im Schlafzimmer steige ich aus der Uniformhose, streife die Bluse ab und lasse beides auf den Boden fallen. Zum Schluss landet der BH auf dem Bett, ich schlüpfe in Bademantel und Hausschuhe und gehe ins Arbeitszimmer. Mein Laptop ist uralt und der Online-Verbindungsaufbau schrecklich langsam, aber ich kann mich damit ins Ohio-Law-Enforcement-Gateway-System – OHLEG  – einloggen. OHLEG wurde vom Generalstaatsanwalt von Ohio ins Leben gerufen und bietet örtlichen Polizeidienststellen Zugang zu den Datenbanken von neun polizeilichen Ermittlungsbehörden. Während der Rechner hochfährt, gehe ich in die Küche. Ich sollte etwas essen, doch mir ist mehr nach einem Drink zumute, und so hole ich die Flasche Wodka aus dem Hängeschrank über dem

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