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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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sah sich im Fernseher hinter der Theke eine merkwürdige Gameshow an, die er nicht verstand. Er trank noch ein Bier und versuchte an nichts anderes zu denken als an den Alkohol, der wie Nitroglyzerin durch seine Adern floss. Das Xanax fing gerade an zu wirken …
    »John.«
    Die vertraute Stimme riss ihn aus seinem umnebelten Zustand. Er drehte sich um und hatte Denny McNinch vor Augen, der aussah, als käme er gerade von einer Beerdigung.
    »Hübscher Anzug«, sagte John, um sein Erstaunen zu überspielen.
    »Nordstrom’s«, erwiderte Denny. »War grade runtergesetzt.«
    Der Raum um John schwankte, doch er hielt Dennys Blick stand und hoffte, dass er nicht so fertig aussah, wie er sich fühlte. »Ich würde ja fragen, ob das ein Freundschaftsbesuch ist, aber deinem Gesicht nach zu urteilen, ist es das nicht.«
    »Stimmt.«
    Der Barkeeper stellte ein Bier auf die Theke und Denny nahm einen großen Schluck.
    »Bist du hier, um mich zu feuern, oder was?«
    »Schlimmer.«
    John konnte nicht anders, er musste lachen.
    Denny griff in die Brusttasche seines Anzugs, zog das Amtshilfeersuchen heraus und legte es auf die Theke. »Rummel will dich da hinschicken.«
    »Ist das ein Witz?« John zog das Blatt zu sich und warf einen Blick darauf.
    Art des Verbrechens:
    Möglicherweise Serienmörder. Örtliche Polizeidienststelle überfordert.
     
    Ort:
    Painters Mill, Ohio.
     
    Kontakt:
    Janine Fourman, Stadträtin. Norm Johnston. Bürgermeister Auggie Brock.
    »Nicht gerade mein Spezialgebiet«, sagte John.
    »Als hättest du zurzeit ein Spezialgebiet.«
    »Ich bin ziemlich gut im Scheißebauen.«
    Denny hob sein Glas. »Das zählt nicht.«
    John blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das Formular, konnte nicht glauben, dass sie ihm einen Fall übertrugen. Er war nicht gerade ein Kandidat für die Wahl zum besten Agenten des Jahres. »Warum ich?«
    »Vielleicht hast du das kürzere Streichholz gezogen.«
    Beide wussten sie, dass Rummel nie etwas grundlos tat. Der Mann verfolgte einen Plan, und der diente niemandem außer ihm selbst.
    Denny zuckte die Schultern. »Vielleicht findet er, es ist an der Zeit, dass du deinen Arsch in Bewegung setzt und das Geld verdienst, das du kriegst.«
    »Oder das kleine Arschloch möchte dabei zusehen, wie ich draufgehe.«
    »Dann beweis ihm das Gegenteil, John. Du warst mal ein guter Polizist, du hast es drauf.«
    Selbst durch den lilafarbenen Schleier seines Rauschs bemerkte John die Nöte seines Gegenübers, und er glaubte, sie zu kennen. Denny mochte zwar auch nur einer von den anderen Bürokraten sein, aber er war aufrichtig. Irgendetwas an der Sache stank, das wussten sie beide.
    »Du könntest in Rente gehen«, erinnerte Denny ihn.
    John faltete das Amtshilfeersuchen zusammen und steckte es in die Innentasche seiner Jacke. »Ich übernehme den Fall.«
    »Wirklich?«
    John nickte. »Tu mir nur einen Gefallen, ja?«
    »Was immer du willst.«
    »Sag Rummel, er kann mich am Arsch lecken.«
    Lachend nahm Denny sein Glas hoch. »Darauf stoßen wir an.«

11. Kapitel
    Leise wie ein sich anschleichendes Raubtier bricht die Mitternachtsstunde herein. Frierend und mutlos packe ich das Werkzeug hinten in den Explorer. In den letzten fünf Stunden haben wir acht Löcher an verschiedenen Stellen gegraben, aber keine menschlichen Überreste gefunden. Ich weiß noch immer nicht, ob der Mann meine Schrotkugeln überlebt hat und diese Stadt wieder in Angst und Schrecken versetzt oder ob wir einfach nur das Grab nicht gefunden haben.
    Jacob und ich schweigen auf der Fahrt zu seiner Farm. Er entschuldigt sich weder für seine Unfähigkeit, die sterblichen Überreste zu finden, noch für seine Anschuldigung, doch das erwarte ich auch nicht. Ich würde ihn gern bitten, mir morgen wieder zu helfen, verkneife es mir jedoch. Die Bürde, Lapps Leiche zu finden, trage ich ganz allein.
    Die vierundzwanzig Stunden, die der Fall jetzt alt ist, waren ein Wettlauf gegen die Zeit, doch erreicht habe ich fast nichts. Dafür schmerzen mein Rücken und meine Schultern von der anstrengenden Graberei, und die Konfrontation mit meinem Bruder hat mir den letzten Rest Zuversicht geraubt. Trotzdem werde ich von dem Drang beherrscht, den Mörder zu fassen.
    Nachdem ich Jacob abgesetzt habe, fahre ich nach Hause. Painters Mill schläft wie ein unschuldiges Kind. Die Läden sind geschlossen und gut verriegelt, die schönen Geschäftsfassaden dunkel. Eine erwartungsvolle Stille liegt über der Stadt. Ich muss an die tote Amanda

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