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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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vergeben«, sagt er.
    Da bemerke ich den größer werdenden roten Fleck auf seinem Hemd. Blut, wird mir klar. Ich will weglaufen, doch meine Füße sind wie festgenagelt. Ich blicke nach unten und sehe, dass ich in einer Blutlache stehe. Rote Flecken sind an den Gardinen, rote Handspuren auf der Ablage, rote Spritzer auf meinem Kleid.
    Vor dem Fenster krächzt eine Krähe und fliegt weg. Ich spüre Daniels Atem an meinem Ohr. Ich höre schmutzige Worte, deren Sinn ich nicht verstehe.
    »Mörderin«, flüstert er. »Mörderin.«
    Schweißnass gebadet wache ich auf. Einen Moment lang bin ich vierzehn Jahre alt, hilflos, panisch und voller Scham. Ich werfe die Decke zurück, setze mich auf und stelle die Füße auf den Boden. In der Stille des Schlafzimmers höre ich meinen keuchenden Atem. Übelkeit steigt in mir auf, doch ich kämpfe gegen sie an. Langsam verflüchtigt sich der Traum.
    Das Gesicht in die Hände vergraben, bleibe ich einen Moment auf der Bettkante sitzen. Ich hasse diesen Albtraum, hasse vor allem, dass er noch immer die Macht besitzt, mich auf eine verängstigte Jugendliche zu reduzieren. Ich atme tief ein, rufe mir ins Gedächtnis, wer ich bin. Eine erwachsene Frau. Eine Polizistin.
    Der kalte Schweiß lässt mich frösteln. Ich stehe auf, um mich anzuziehen, und schwöre dem Gott, den ich verlassen habe – der mich verlassen hat –, dass ich mich nie wieder schämen und so hilflos sein werde.
    · · ·
    Der Tag eines Farmers in Painters Mill beginnt früh. Um Punkt sieben stehe ich vor der Doppelglastür von
Quality Implement and Farm Supply
und mache mir Gedanken über das Gespräch, das ich gleich mit Donny Beck führen werde. Auf dem Schild an der Tür steht, dass der Laden um sieben Uhr öffnet. Montags bis samstags. Jemand hat sich verspätet. Ich klopfe mit dem Schlüssel an die Tür.
    Eine kleine Frau im roten Kittel mit einem Namensschild, auf dem »Dora« steht, lächelt mich durch die Glastür an. Die Schlüssel in ihrer Hand klimpern beim Aufschließen. »Guten Morgen«, sagt sie. »Sie sind die erste Kundin heute.«
    Ich zeige ihr meine Dienstmarke. »Ich muss mit Donny Beck sprechen. Ist er hier?«
    Ihr Lächeln verschwindet. »Er ist im Pausenraum und trinkt Kaffee.«
    »Wo?«
    »Hinten im Laden.« Sie zeigt in die Richtung. »Soll ich Sie hinführen?«
    »Ich finde es schon selbst.« Ich setze mich in Bewegung. Es ist ein schöner Laden, in dem ich ab und zu Blumen, Töpfe oder Handwerkszeug kaufe, und unsere Polizeidienststelle bezieht von hier die Autoreifen für die Dienstfahrzeuge. Aber hauptsächlich verkauft Quality Implement Farmbedarf: Pflugscharen, Traktorreifen, Zäune, Bohrer.
    Im hinteren Teil des Ladens steigt mir der Gummigeruch neuer Reifen in die Nase. Ich gehe nach rechts, zwischen massiven, bis zur Decke reichenden Regalen mit Reifen aller Art und Größe hindurch. Aus der offenen Tür am Ende des Gangs dringt Gelächter. Ich bin extra zu Geschäftsbeginn gekommen, damit Beck sich die Antworten auf meine Fragen über Amanda Horner nicht schon vorher zurechtlegen kann.
    Donny ist im Pausenraum und verschlingt gerade ein Frühstückssandwich aus dem Diner. Ihm gegenüber sitzt eine zierliche junge Blondine in einem Quality-Implement-Kittel und schlürft Cola durch einen Strohhalm. Beide blicken auf, als ich eintrete. Beck vergisst, in das Sandwich vor seinem Mund zu beißen – er weiß, warum ich hier bin.
    Ich blicke die junge Frau an. »Können Sie uns einen Moment allein lassen?«
    »Okay.« Sie nimmt die Cola und verlässt den Raum.
    Ich schließe die Tür hinter ihr und bin allein mit Donny Beck.
    »Sie wollen bestimmt mit mir über Amanda reden«, sagt er und schluckt heftig.
    Ich nicke. »Ich bin Kate Burkholder, Chief of Police.«
    »Ich weiß, wer Sie sind. Sie haben meinem Dad mal ’nen Strafzettel für zu schnelles Fahren gegeben.« Er steht auf und hält mir über den Tisch die Hand hin. »Ich bin Donny Beck. Aber das wissen Sie ja.«
    Als ich seine Hand schüttele, ist sie schweißnass, doch sein Händedruck ist fest. Er wirkt wie ein anständiger junger Mann. Ein Junge vom Land, der wahrscheinlich mit dem Geld, das er hier verdient, seinen Wagen frisiert und samstagnachts mit einem Höllenlärm durch die Gegend kurvt. »Wann haben Sie Amanda das letzte Mal gesehen?«, frage ich.
    »An dem Abend, als wir Schluss gemacht haben. Vor ungefähr sechs Wochen.«
    »Wie lang waren Sie zusammen?«
    »Sieben Monate.«
    »War es ernst?«
    »Das dachte ich

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