Die Zahlen Der Toten
will?«
»Ihren Kopf auf einem Silbertablett, vermute ich mal.«
Ich sehe sie fragend an.
»Ist nur so eine Ahnung.«
Ich lache. »Wo ist Glock?«
Sie blickt hinab auf die Telefonanlage, wo ein einzelnes rotes Licht leuchtet. »Am Telefon.«
»Wenn er auflegt, sagen Sie ihm, er soll mich anrufen.« Ich gehe zur Kaffeemaschine und schenke mir die größte Tasse ein, die ich finde. In meinem Büro mache ich den Computer an und hänge die Jacke über den Stuhl. Ich bin gespannt, ob OHLEG einen Treffer bei Daniel Lapp gelandet hat.
Sobald ich mich eingeloggt habe, wird meine Hoffnung zunichtegemacht. Falls Lapp noch lebt, ist er sehr vorsichtig und benutzt wahrscheinlich auch einen anderen Namen. Vielleicht hat er sogar die Identität eines anderen angenommen oder benutzt eine gefälschte Sozialversicherungsnummer. Normalerweise würde ich anfangen, sein Foto im Ort rumzuzeigen. Aber ich kann nicht riskieren, Fragen aufzuwerfen. Die Leute würden wissen wollen, warum ich mich nach einem Mann erkundige, der seit sechzehn Jahren nicht mehr hier gesehen wurde. Sie würden zwei und zwei zusammenzählen, und Daniel Lapp würde aus der Versenkung auftauchen wie ein amischer Jack the Ripper.
Ich wähle Norm Johnstons Nummer. Millers Teich wäre ein geeignetes Grab, schön groß und mit schlammigem Grund.
Johnston nimmt nach dem ersten Klingeln ab. »Seit fast zwei Tagen versuche ich, Sie zu erreichen, Chief Burkholder.«
»Der Mordfall hält mich auf Trab. Was kann ich für Sie tun?«
»Der Stadtrat und der Bürgermeister wollen sich mit Ihnen treffen. Heute.«
»Norm, das passt mir wirklich schlecht, ich muss –«
»Bei allem Respekt, Kate, Sie sind verpflichtet, uns auf dem Laufenden zu halten. Wir wollen wissen, wie die Ermittlungen vorangehen.«
»Wir verfolgen mehrere Spuren.«
»Gibt es einen Verdächtigen?«
»Ich gebe eine Pressemitteilung heraus –«
»Darin steht doch nur Wischiwaschi.«
Ich seufze. »Um ehrlich zu sein, ich hab nicht viel.«
»Dann wird das Meeting nicht lange dauern. Ich bestelle alle für zwölf Uhr in mein Amtszimmer. Nach zwanzig Minuten können Sie gehen.«
Er legt auf, ohne meine Antwort abzuwarten und ohne mir zu danken. Er ist immer noch sauer, weil ich ihn wegen Trunkenheit am Steuer drangekriegt habe. Selbstsüchtiger Mistkerl.
»Chief?« Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich Mona nicht habe kommen hören. »Jemand möchte Sie sprechen.«
Etwas in ihrem Blick lässt meine Alarmglocken läuten.
Und jetzt?,
denke ich. Plötzlich taucht meine Schwester in der Tür auf. Ich bin seit über zwei Jahren Polizeichefin von Painters Mill, und in der ganzen Zeit haben mich weder Sarah noch mein Bruder hier besucht. Im ersten Moment traue ich meinen Augen nicht. Dann fällt mir das Gespräch mit Jacob letzte Nacht ein.
»Hallo, Katie.« Sarah trägt ein marineblaues Kleid mit einer schwarzen Schürze und einen schweren Winterumhang. Unter der traditionellen amischen
Kapp
ist ihr blondes Haar streng in der Mitte gescheitelt und im Nacken zu einem Knoten gebunden. Sie ist zwei Jahre älter als ich, hübsch und erwartet in etwas über einem Monat ihr erstes Kind.
Ich stehe auf, gehe um den Schreibtisch herum, ziehe den Besucherstuhl hervor und schließe die Tür. »Setz dich.« Nach einem kurzen, unbehaglichen Schweigen frage ich: »Wie fühlst du dich?« Es ist eine heikle Frage, denn es ist nicht Sarahs erste Schwangerschaft. Ich weiß von drei anderen. Jedes Mal hatte sie Ende des zweiten Trimesters eine Fehlgeburt.
Sie lächelt. »Ich glaube, Gott will, dass ich dieses Baby bekomme.«
Ich lächele ebenfalls. Sie wird bestimmt eine gute Mutter; hoffentlich bekommt sie die Chance. »Bist du ganz allein mit der Kutsche in die Stadt gefahren?«
Sie nickt, wendet kurz den Blick ab, und ich bin sicher, dass sie gegen den Willen ihres Mannes gekommen ist. »William ist auf der Pferdeauktion in Keene.«
»Verstehe.« Schweigend beobachte ich, wie sie mit sich kämpft – weshalb ist mir nicht ganz klar.
»Ich habe mit Jacob gesprochen«, beginnt sie schließlich. »Er hat gesagt, ihr seid zum Getreidespeicher gefahren. Dass Daniel Lapp vielleicht noch lebt.«
»Das ist nur eine Theorie.« Mein Blick wandert immer wieder zur Tür, um sicherzustellen, dass niemand etwas mitbekommt.
Sie fährt fort, als hätte sie meine Worte nicht gehört. »All die Jahre haben wir geglaubt, er ist bei Gott.«
Gott.
Dieses Wort bringt meinen Geduldsfaden fast zum Reißen. Ich will ihr
Weitere Kostenlose Bücher