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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Hüften der Frau. Der Doktor fasst sie an der Schulter und gemeinsam drehen sie sie auf den Bauch. Ich mache mehr Fotos.
    »Herr im Himmel.«
    Der Schock in der Stimme des Arztes reißt mich aus meinen Gedanken. Ich lasse die Kamera sinken, wobei ich ein schmales Objekt zwischen den Gesäßbacken der Frau sehe.
    Detrick tritt zurück. »Gütiger Gott.«
    Glock erhebt sich zu voller Größe.
    Coblentz berührt das Objekt, das zuvor nicht sichtbar war, zieht es aber nicht heraus. »Irgendein Fremdkörper.«
    Ich werde von Ekel geschüttelt.
    »Lassen Sie uns das arme Kind wegbringen.« Er legt den Sack neben die tote Frau, streicht ihn glatt und rollt sie mit Glocks Hilfe hinein.
    Als er den Reißverschluss zuzieht, bricht etwas in mir los. Ich bin normalerweise nicht zimperlich, aber mein Magen rebelliert heftig. Mir ist bewusst, dass mich alle anstarren, als ich Latexhandschuhe, Schuhhüllen und Schürze ausziehe und in den Sondermüllsack werfe, den jemand an den Türknauf gehängt hat. Ich spüre Detricks Blick, eile aber, ohne ihn anzusehen, an ihm vorbei aus dem Zimmer. Mir wird schwarz vor Augen, als ich den Flur entlang in die Küche taumele. Ich sehe John Tomasetti im langen schwarzen Mantel und den gewienerten Schuhen auf der hinteren Veranda stehen. Innerlich fluchend stoße ich die Tür auf, er sieht mich merkwürdig an und sagt etwas, als ich an ihm vorbeieile, doch ich bin zu erschüttert, um ihn zu verstehen.
    Kalte Luft beißt sich durch den Schweiß auf mein Gesicht. Vage nehme ich den Krankenwagen wahr, der mit laufendem Motor in der Einfahrt steht. Am Ende des Wegs befindet sich ein Übertragungswagen von ProNews 16 , dessen Abgase Wölkchen in der eisigen Luft bilden. Glocks Dienstwagen wird von einem Streifenwagen aus Holmes County flankiert. Ich weiß nicht, wohin ich gehe, bis ich die Tür des Explorers aufreiße und mich hinters Lenkrad schiebe. Mein Atem geht stoßartig, ich möchte weinen, habe mir dieses Ventil aber schon vor Jahren versagt, so dass ich nicht mehr weinen kann. Ich habe heute noch nichts gegessen, doch die Magensäure kommt mir hoch, und ich stoße die Tür auf und übergebe mich in den Schnee.
    Nach einer Weile lässt die Übelkeit nach. Ich ziehe die Tür zu, umfasse das Lenkrad und lege die Stirn auf beide Hände. Ein Klopfen an der Fensterscheibe erschreckt mich fast zu Tode. Der Anzugmann vom BCI steht neben dem Explorer, das Gesicht unergründlich wie ein Stein. Er ist der Letzte, mit dem ich jetzt reden will, aber wie es aussieht, habe ich keine andere Wahl.
    Anstatt das Fenster runterzulassen, mache ich die Tür auf und zwinge ihn so einen Schritt zurück.
    »Ist alles okay?«
    »Klar. Kotzen macht mir Spaß.« Ich gleite vom Sitz und werfe die Tür zu. »Was glauben Sie denn?«
    Er ist amüsiert, was mir total stinkt. Einen Moment lang sind nur die Graupel zu hören, die aufs Dach meines Wagens klopfen. Ich friere und zittere, und es kostet mich einige Mühe, nicht mit den Zähnen zu klappern.
    »Sie bringen die Tote in die Leichenhalle«, sagt er. »Ich dachte, Sie wollen das vielleicht wissen.«
    Ich nicke, finde meine Beherrschung wieder. »Danke.«
    Er blickt über die Schulter zurück zu dem Nachrichtenauto. »Die Aasgeier riechen Blut.«
    »Wenn die Meldung von dem zweiten Mord erst einmal durch den Äther rauscht, werden wir noch viel mehr davon zu sehen bekommen.«
    »Vielleicht sollten Sie überlegen, eine Pressekonferenz zu geben. So können Sie bestimmen, wie Sie mit denen umgehen. Und Gerüchte sofort im Keim ersticken.«
    Das ist eine gute Idee. Ich bin so sehr auf den Fall konzentriert, dass ich die Problematik mit den Medien völlig ignoriert habe. »Ich werde etwas in die Wege leiten.«
    Er sieht mich mit dem typischen Böser-Bulle-Blick an, der bestimmt schon manchen bockigen Täter veranlasst hat, ihm das Herz auszuschütten. »Ich weiß, dass Sie mich nicht hier haben wollen –«
    »Es hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun«, unterbreche ich ihn.
    »Genau das Gleiche haben die über Sie gesagt.« Er sieht wieder amüsiert aus. »Diplomatie stinkt, oder?«
    »Sieht so aus.«
    Er starrt mich noch immer an, und zwar mit einer solchen Intensität, dass mir langsam unwohl wird. »Ich bin ein ziemlich guter Polizist«, sagt er. »Und ich bin hier. Also warum nutzen Sie das nicht aus? Vielleicht kann ich sogar helfen.«
    Er hat natürlich recht. Aber die Vorstellung, dass dieser Mann seine Nase in den Fall steckt, lässt mich schaudern. Ich schweige,

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