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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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Seufzer aus und zieht das Telefon aus der Hülle.
    Ich rufe Doc Coblentz an, dessen Nummer ich inzwischen auswendig kenne. »Wir brauchen Sie auf der Huffman-Farm an der Thigpen Road«, erkläre ich ohne Umschweife.
    »Sagen Sie mir, dass es sich um einen Autounfall oder Herzinfarkt handelt.«
    »Ich wünschte, es wäre so.«
    »Großer Gott.« Ein tiefer Seufzer dringt an mein Ohr. »Ich bin in zehn Minuten da.«
    · · ·
    Ich stehe mit Doc Coblentz und Glock im Schlafzimmer des alten Hauses, wo wir versuchen, die Überreste der Frau nicht anzustarren, die vom Deckenbalken hängt. Coblentz greift in seine Arzttasche und holt ein verschweißtes Päckchen Mentholsalbe heraus. »Hier, das hilft.«
    Ich reiße es auf und tupfe mir etwas davon unter die Nase, halte es Glock hin, doch er schüttelt den Kopf. »Meine Mutter hat mir das Zeug immer als Kind gegeben. Ich kann den Geruch nicht ausstehen.«
    Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht gelacht, doch heute Morgen knicke ich nur das obere Ende des Päckchens um und stecke es in die Jackentasche.
    Wir haben Plastikhüllen über die Schuhe gestreift und Plastikschürzen umgebunden, um den Tatort nicht zu kontaminieren, aber auch, um uns vor Infektionen zu schützen. »Dem vielen Blut nach zu urteilen«, beginnt der Arzt, »würde ich sagen, er hat sie hier umgebracht.«
    »Warum hat er seine Vorgehensweise geändert?«, frage ich mich laut.
    Glock hat eine Theorie auf Lager. »Maximale Wirkung.«
    Der Doktor und ich sehen ihn an. Ich bin keine Expertin für Serienmörder, doch ich stimme mit Glock überein. Wer immer das getan hat, will Angst und Schrecken verbreiten. Er will uns zeigen, zu welchen Blutbädern er fähig ist. Ich habe gelesen, dass viele Serienmörder erwischt werden wollen. Nicht weil sie gern im Gefängnis sitzen, sondern weil sie so das Urheberrecht an ihren Werken beanspruchen können.
    »Er wusste, dass er hier ungestört ist«, sage ich.
    »Der nächste Nachbar ist acht Meilen weit weg«, fügt Glock hinzu.
    Ich will die Leiche nicht ansehen, doch mein Blick wird wie magisch von ihr angezogen. Die Verwesung hat eingesetzt. In ihrem Körper haben sich Gase gebildet, die ihn fast bis zur Unkenntlichkeit aufblähen. Die Haut ist größtenteils schwarz, mit kleinen grünen Flecken. Doch das Gesicht ist am schlimmsten. Die Augen sind vollkommen verschwunden, die feuchte, schwarze Zunge hängt zwischen abgebrochenen Zähnen heraus.
    »Wir brauchen Fotos, bevor wir sie abhängen«, sage ich zu Glock.
    »Ich hole die Polaroid.« Er verschwindet ein wenig zu hastig.
    Vor zehn Minuten sind die Eltern der beiden Teenager angekommen, um ihre Kinder abzuholen. Robbie Stedts Vater wollte sich Zutritt ins Haus verschaffen, doch glücklicherweise war Glock da, um ihn aufzuhalten. Ich erklärte ihm, dass es sich hier um einen Tatort handelt und es hilfreich wäre, wenn er seinen Sohn aufs Polizeirevier brächte, wo T. J. ihm Fingerabdrücke abnehmen und seine Aussage protokollieren könnte. Falls wir hier doch Fingerabdrücke finden, was ich bezweifle, können wir die beiden wenigstens ausschließen.
    Doch verängstigte Eltern und traumatisierte Jugendliche sind mein geringstes Problem. Eine Viertelstunde zuvor hatte ich das Sheriffbüro von Holmes County angerufen und offiziell um Amtshilfe ersucht. Ich bin sicher, dass der Anzugmann bald hier eintreffen wird, und spüre schon jetzt, wie mir die Kontrolle über den Fall entgleitet.
    Skid und Pickles sind draußen und sichern den Ort mit Absperrband. Wenn sie damit fertig sind, werden sie die Scheunen und Nebengebäude inspizieren sowie nach Schuhabdrücken und Reifenspuren suchen. Aber bei dem Schnee, der jetzt in dicken Flocken vom Himmel fällt, stehen die Chancen schlecht, dass sie irgendwas Brauchbares finden.
    Glock kommt mit der Polaroidkamera zurück. Ein Gemisch von Schnee und Graupel klatscht an die Fenster, als er zu knipsen beginnt. Das Surren des winzigen Motors scheint übermäßig laut in der Stille des eiskalten Hauses. Ich trage mehrere Schichten Kleidung und lange Unterhosen, doch ich friere bis auf die Knochen.
    »Was glauben Sie, wie lange sie schon hier ist?«, frage ich.
    Doc Coblentz schüttelt den Kopf. »Schwer zu sagen, Kate. Die Temperatur ist ein wichtiger Faktor.«
    »Sie sieht steifgefroren aus.«
    »Das trifft für jetzt zu. Aber wenn Sie sich erinnern, vor zwei Wochen gab es Tage, an denen die Temperatur weit über dem Gefrierpunkt lag.«
    Das stimmt. Fast eine Woche lang

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