Die Zahlen Der Toten
zurück.«
»Die letzten Tage waren hart.«
»Wir sind froh, dass Sie uns angerufen haben.« Er senkt die Stimme. »Nur zu Ihrer Information. Dieser ganze Zuständigkeitenquatsch interessiert mich nicht. Das hier ist Ihr Baby.«
Ich frage mich, ob er das wirklich so meint – und ob der Anzugmensch vom BCI genauso denkt. »Das weiß ich zu schätzen.«
Es ist offensichtlich, warum dieser Mann bei seiner Kandidatur fürs Sheriffsamt haushoch gewonnen hat. Geradeheraus und charismatisch, besitzt er Führungsqualitäten, die ich bewundere. Ein großer Teddybär, der uns alle vor unserer eigenen Unfähigkeit rettet. Doch über die Jahre habe ich viele Arten von Gesetzeshütern kennengelernt und weiß, dass sich ein Teddy ganz schnell in einen menschenfressenden Grizzlybär verwandeln kann, wenn man ihn gegen den Strich bürstet. Erst letzte Woche hat mir T. J. erzählt, dass Detrick mitten in einem hässlichen Scheidungskrieg steckt. Außerdem geht das Gerücht um, er sei jähzornig.
»Ich brauche Hilfe, um sie runterzuholen«, meldet sich der Doktor.
Um am Tatort nicht übermäßig Spuren zu vernichten, habe ich angeordnet, dass nur Glock, ich, der Coroner und nun auch Detrick sich im Haus aufhalten dürfen. Deshalb müssen wir dem Doktor helfen, sie herunterzunehmen und in den Leichensack zu legen.
Doc Coblentz tritt ein paar Schritte von der Toten zurück, hinterlässt dickflüssige, ölige Spuren auf dem Boden. Ich hole die dreisprossige Aluminiumtrittleiter, die Glock mitgebracht hat, und obwohl meine Stiefel durch Plastikhüllen vor Blut geschützt sind, schaudert mir, als ich sie abstelle und dabei auf den verschmutzten Boden trete.
»Ich mache das.« Glock schiebt die Leiter näher zur Leiche und stellt sich auf die oberste Sprosse. »Wenn ihr sie anhebt und die Spannung von der Kette nehmt, kann ich sie abhängen.«
»Vorsicht«, sagt Doc Coblentz schnell. »Das Fleisch kann sich ablösen, passen Sie auf, dass sie Ihnen nicht aus den Händen gleitet.«
Ich zucke zusammen, als Detrick mir die Hand auf die Schulter legt. »Sie ist bestimmt schwer. Lassen Sie mich das machen.«
Ich will mich über ihn ärgern, ärgere mich aber mehr über mich selbst: Zum ersten Mal seit langem möchte ich zur Seite treten und einen anderen meinen Job machen lassen.
Doc Coblentz zeigt Detrick die Schutzkleidung. Nachdem er die Hüllen über die Schuhe gezogen, die Schürze um den Anorak gebunden und die Latexhandschuhe angezogen hat, nickt der Sheriff. Der Doktor steht auf einer Seite der Toten und Detrick auf der anderen, als Glock oben auf der Leiter nach dem Haken am Ende der Kette greift. »Hebt sie an«, sagt er.
Die beiden Männer hieven sie gleichzeitig hoch, Glock löst sie vom Haken, und sie legen die Tote behutsam auf den Boden, wobei ihr Kopf zur Seite rollt und schwarze Flüssigkeit über den Holzboden läuft. Am liebsten würde ich die Augen schließen, um dem Anblick zu entfliehen. Stattdessen hole ich die Kamera und mache Fotos. Irgendwie verschafft mir die Linse den Abstand, den ich jetzt brauche, und so nehme ich den Deckenbalken und die Kette auf.
Dann lasse ich die Kamera sinken. Keiner spricht. Alle Blicke sind auf die Tote gerichtet. Mir ist kalt, doch mein Rücken ist schweißnass. »Wir müssen die Kette eintüten.« Dass meine Stimme total normal klingt, überrascht alle, mich eingeschlossen.
Ich hole einen Müllbeutel aus der Kiste, die ich mitgebracht habe, halte ihn auf, und Glock legt die Kette hinein. »Wenn wir den Kettenhersteller rausbekommen«, sage ich, »finden wir vielleicht den Laden, in dem er sie gekauft hat.«
»Wahrscheinlich ist es das Beste, sie ans BCI -Labor zu schicken«, schlägt Detrick vor.
»Ja, denke ich auch.«
Auf der anderen Seite des Zimmers öffnet der Doktor den Reißverschluss des Leichensacks und klappt ihn auf. Er kommt zurück und geht neben der Toten in die Hocke, einen zutiefst sorgenvollen Ausdruck im Gesicht. »Sie hat Schnitte auf dem Unterleib. Wie die anderen.«
Meine Füße tragen mich näher heran. Ich hebe die Kamera und mache schnell hintereinander vier Fotos.
»Sieht wie die römische Zahl XXII aus«, sagt Glock.
»Er ist es«, flüstert Detrick. »Er ist zurück. Nach all den Jahren.«
Ich will fluchen und schreien, dass das unmöglich ist.
Ich hab ihn erschossen. Er ist tot.
Doc Coblentz stößt einen Seufzer aus. »Helfen Sie mir, sie umzudrehen.«
Glock hockt sich neben ihn, legt beide Hände sanft, fast ehrfürchtig auf die
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