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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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bis nach Konstantinopel gekreuzt? Ist das nicht schrecklich weit?«, nahm sie das vorangegangene Gespräch wieder auf.
    »Konstantinopel«, warf ihr Cousin wegwerfend ein. »Mich dürft ihr bewundern, denn ich bin bis in den Orient gekommen! Stürme hatten wir und …«
    »Was für ein Jammer, dass Kosty nicht hier ist, er hätte solchen Seefahrergeschichten mit Begeisterung gelauscht«, seufzte Olly, nachdem Friedrich seine Geschichte beendet hatte.
    »Warum in die Ferne schweifen?«, sagte Mary leichtherzig. »In den nächsten Wochen stehen uns so viele herrliche Festlichkeiten hier und in St. Petersburg bevor, dass bestimmt niemand Reisefieber bekommt.«
    Rasch nahm Olly den Faden auf. »Sagen Sie, verehrter Prinz, ken nenSie eigentlich schon die berühmten Weißen Nächte von St. Pe ters burg? Damit meinen wir Russen die Juninächte, in denen es nie richtig dunkel wird. Zauberhaftes silbriges Licht umwebt wie ein feiner Gazeschleier die goldenen Türme unserer Stadt. Sie wirkt dadurch wie ein in zarten Farben gehaltenes Aquarellgemälde. Ich fühle mich jedes Jahr aufs Neue wie in ein Märchen versetzt.« Olly seufzte auf. Dieses Jahr würden die Weißen Nächte vielleicht besonders märchenhaft werden …
    »Wie poetisch Sie sind, liebe Großfürstin«, sagte Friedrich. »Würden Sie mir die Freude bereiten, in einer dieser Nächte mit mir einen Spaziergang entlang der Petersburger Kanäle zu machen? Selbstverständlich nur unter Aufsicht einer Anstandsdame«, fügte er hastig hinzu, als er das Stirnrunzeln der Zarin sah.
    »Wir gehen so bald wie möglich«, sagte Olly. Wie gut, dass sie ihre Mutter neben Franz gesetzt hatten, frohlockte sie. Seine Mutter war Alexandras fünf Jahre jüngere Schwester, und sehnsüchtig lauschte die Zarin seinen Berichten über die Familie in Berlin. Genauso begierig saugte sie jedes Detail preußischen Hofgeflüsters auf, das ihr Neffe zu berichten wusste. Olly war das sehr recht – je weniger sie Friedrich in Beschlag nahm, desto besser.
    Ihr reichte die etwas übertriebene Aufmerksamkeit, die ihr Vater dem jungen Mann schenkte. Dass ein so junger Mann schon Generalmajor war, beeindruckte ihn, und so verwickelte er den Gast immer wieder in Gespräche über seine militärische Laufbahn.
    »Ein stolzer Soldat! An seiner Seite würde es dir nicht schlecht ergehen«, raunte der Zar Olly zu. Einerseits freute sie sich über die Sympathiebekundung ihres Vaters, andererseits hätte sie sich mit Friedrich gern ein wenig allein unterhalten. Sie hatte das Gefühl, dass es ihm ebenso erging, jedenfalls blinzelte er ihr immer wieder zu.
    Mary, die dies wohlwollend beobachtete, versuchte daraufhin, ihren Vater in ein Gespräch zu verwickeln. Olly zwinkerte ihr dankbar zu.
    »Habe ich Ihnen schon erzählt, wie bei uns in Russland die heldenhaften Soldaten verehrt werden, die sich im Kampf gegen die kaukasischen Völker ihre Lorbeeren verdienen?«, sagte sie gerade zuFriedrich, als ein Quietschen sie unterbrach. Auch die übrige Konversation am Tisch erstarb, und die Gäste schauten ihre Gastgeber fragend an.
    »Der Aufzug«, sagte Mary und zeigte zum Eingang. »Das kann nur Adini sein.«
    Olly lächelte. Hatte es die jüngere Schwester doch noch geschafft, wenigstens zum Dessert zu erscheinen.
    »Darf ich vorstellen – Großfürstin Alexandra, unsere Schwester. Leider war sie früher am Abend unpässlich«, sagte Mary.
    »Und nun platze ich mitten in eure Tischrunde. Ich hoffe, ich störe nicht allzu sehr?« Zögerlich trat Adini an den Tisch.
    Wie schön ihre Schwester aussah, dachte Olly ein wenig eifersüchtig, während Mary die Gäste und Adini bekannt machte. Im Gegensatz zu Mary und ihr hatte Adini ihre Haare nicht aufgesteckt. In langen, seidig schimmernden Wellen fielen sie ihr über die Schulter, wo sie von einem cremefarbenen Band und einer Rose zusammengehalten wurden. Ihr cremefarbenes Kleid aus Rohseide wies als einzigen Schmuck kleine Perlmuttknöpfe auf, die im Licht schwach glänzten. Seltsam, befand Olly, durch die Schlichtheit ihrer Aufmachung wirkte Adini noch hoheitsvoller und schöner als sonst.
    »Cousinchen, du bist ja richtig erwachsen geworden!«, rief Franz. »Und eine Schönheit noch dazu.«
    Auch Friedrich schien beeindruckt. Wie der Blitz stand er auf, um den Stuhl zu seiner Linken für Adini zurechtzurücken. Huldvoll lächelnd nahm sie Platz.
    Der Speisenaufzug polterte und brachte das Dessert. Einen Moment lang wurde die Aufmerksamkeit aller von der

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