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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zurückzog, um sich für das Diner herzurichten, war bereits jegliches Gefühl von Fremdheit verflogen.
    Was Olly selbst am wenigsten erwartet hatte, war eingetroffen: Sie fand Friedrich von Hessen-Kassel-Rumpenheim äußerst sympathisch und freute sich darauf, ihn am Abend wiederzusehen.
    Während des Ankleidens erzählte sie Anna von ihren ersten, positiven Eindrücken. Doch recht bald wich sie weiteren Fragen ihrer Hofdame aus, um sich voll und ganz auf ihr Äußeres zu konzentrieren. Vielleicht schadete es nicht, sich für den heutigen Abend ein wenig aufwendiger zurechtzumachen als sonst?
    Am Nachmittag hatten Mary und sie einfache Baumwollkleider getragen, für das Essen in der Eremitage durften es dagegen feinster Taft und Spitze sein. Das Kleid, das Olly wählte, war in einem schimmernden Blaugrün gehalten, das sie an die aufgewühlte See an stürmischen Tagen erinnerte. Olly fand es sehr passend. Zur Feier des Tages schlang sie mehrere Perlenstränge um ihren Hals, die perfekt sowohl zu dem Meeresblau als auch zu ihrer aufwendigen Hochsteckfrisur passten. Selten hatte sie so schön ausgesehen wie heute, befand sie, wozu auch ihr beständiges Lächeln beitrug – ihr schönstes Accessoire.
    »AchAdini, kannst du dich nicht doch aufraffen? Komm, ich helfe dir auch beim Anziehen.« Traurig betrachtete Olly ihre Schwester, die noch immer ermattet im Bett lag. Hätten sie bloß nicht erlaubt, dass Adini ihnen beim Tischdecken half, ärgerte sie sich stumm. Dass diese Anstrengung für die zarte Schwester zu viel war, hätten sie sich doch denken können.
    »Später vielleicht«, sagte Adini leise. »Erzähl mir lieber noch ein bisschen von Friedrich. Ist er wirklich so sympathisch, wie Mary ihn schilderte?«
    Olly brauchte keine zweite Aufforderung. Übersprudelnd begann sie, die Vorzüge des Gastes aufzuzählen: seine Universitätslaufbahn, die ihm eine äußerst gute Bildung verliehen hatte. Die militärische Karriere, die darauf gefolgt war. Sein offener Blick, der so vertrauensvoll wirkte. Seine Art, immer dann einen Scherz ins Gespräch einzuflechten, wenn keiner damit rechnete. Sie und Mary hätten sich deswegen vor Lachen geschüttelt!
    »Und das Beste …« Olly holte tief Luft. »Friedrich hat zwar sechs Schwestern, aber er ist der einzige Sohn von Landgraf Wilhelm. Seine Mutter ist Luise Charlotte von Dänemark, hast du das gewusst? Aufgrund dieser Beziehung hat Friedrich Chancen, nach dem Tod des dänischen Königs, der keine Kinder hat und wahrscheinlich auch keine mehr bekommen wird, selbst König von Dänemark zu werden. Die hessische Kurwürde bekommt Friedrich nach dem Tod seines Vaters außerdem noch verliehen«, fügte sie hinzu. »So gesehen ist er wohl tatsächlich eine gute Partie, gegen die auch Vater nichts sagen könnte.«
    Adini schüttelte matt den Kopf. »Und woher weißt du das alles? Du hast ihn doch hoffentlich nicht ausgefragt?«
    Olly lachte. »Was denkst denn du? Das hat Mary für mich übernommen. Und wenn du mich fragst, hat sie es äußerst geschickt angestellt. Ach, ich bin so glücklich wie lange nicht mehr.« Ohne Rücksicht auf ihr Kleid und ihre Frisur umarmte sie die jüngere Schwester. »Du musst Friedrich unbedingt auch bald kennenlernen und mir sagen, was du von ihm hältst.«
    Adinis schmaler Körper wurde von einem weiteren Hustenanfall erschüttert.Erschrocken wich Olly zurück, bloß nicht anstecken und auch noch krank werden!
    »Viel wichtiger ist doch, was du von Friedrich hältst«, sagte Adini, nachdem sich der Husten gelegt hatte.
    Olly lächelte geheimnisvoll. »Ich glaube, er könnte mir gefallen …«
    Der Abend hielt, was sich die Schwestern während ihrer Vorbereitungen davon versprochen hatten: Die farbenfrohe Tischdekoration wurde von den Gästen ebenso goutiert wie die feinen Speisen. Sie erschienen wie von Zauberhand auf einem Tisch, der durch eine Öffnung im Fußboden aus dem Erdgeschoss hochgefahren wurde. Was für eine angenehme Abwechslung, endlich einmal nicht von dienstbaren Geistern umringt zu sein, sondern sich selbst bedienen zu können, fanden beide Gäste.
    »Darf es noch ein wenig Ragout sein?« Olly lächelte Friedrich an. Wie gut, dass sie den Platz neben dem Speisenaufzug gewählt hatte, so konnte sie von den Gerichten, die mit dem Aufzugstisch geliefert wurden, stets zuerst ihm etwas anbieten.
    »Sehr gern«, antwortete er lächelnd und nahm ihr die Servierschale ab.
    »Und Sie sind letztes Jahr wirklich mit einer dänischen Fregatte

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