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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Aufzug ignorierend, stürzte sie die enge Wendeltreppe hinab.
    »Erliebt sie! Es war Liebe auf den ersten Blick, ich hab’s genau gesehen!« Hysterisch schluchzte Olly in ihr Kopfkissen. »Kaum tauchte sie auf, war ich nur noch Luft für ihn.«
    Hilflos streichelte Anna Ollys Kopf, doch die fuhr, wie von der Tarantel gestochen, hoch.
    »Adini hat ihn mir ausgespannt. Vor meinen Augen. Dass sie so gemein sein kann, hätte ich nie gedacht.« Vor Wut und Enttäuschung schlug Olly immer wieder auf ihr Kopfkissen.
    »Das bildest du dir gewiss ein, Friedrich von Hessen wollte wahrscheinlich nur höflich zu Adini sein«, versuchte Anna sie zu besänftigen. »Ausgerechnet Adini soll den Herrn so schnell umgarnt haben? Das mag ich kaum glauben, was Romanzen angeht, ist deine Schwester doch noch ein Kind, ein unbeschriebenes Blatt.«
    »Ein unbeschriebenes Blatt?« Olly spuckte die Worte wie etwas Giftiges aus. »Ich würde Adini eher ein Naturtalent nennen. Ich hasse sie!«
    Die nächsten Tage wurden für Olly zu einer einzigen Tortur. Auch die anderen merkten sehr rasch, dass sich zwischen Adini und Friedrich von Hessen zarte Bande entwickelten. Jeder reagierte darauf auf seine Art.
    Zar Nikolaus kam gleich am nächsten Tag zu Olly ins Zimmer, um sie zu trösten. »Gräme dich nicht, Friedrich ist zwar ein guter Soldat, aber letztendlich ist ein Regent doch passender für dich. Von nun an werde ich den Österreichern richtig Feuer unterm Hintern machen! Du wirst deinen Stephan schon noch bekommen, das verspreche ich dir.«
    Seine mitleidigen Worte vertieften die Wunde in Ollys Herzen eher noch, als dass sie Balsam waren.
    Die Zarin tat so, als hätte sie gar nicht mitbekommen, dass Friedrich eigentlich für Olly eingeladen worden war. Sie beglückwünschte Adini zu ihrem Erfolg. Wenn sich die beiden unbeobachtet fühlten, schmiedeten sie eifrig Zukunftspläne, in denen das Wort »Verlobung« ebenso fiel wie die Wörter »Hochzeit« und »Kinder«.
    Wo die Liebe hinfällt, war Marys trockener Kommentar. Wenigstens habe sie zum Liebesglück einer ihrer Schwestern beigetragen.
    Ollywar fassungslos – wie konnte Mary so unsensibel sein? Zu ihrer Erbitterung wegen Adini gesellte sich nun auch noch Groll auf Mary.
    Dem Liebespaar versuchte Olly, so gut es ging, aus dem Weg zu gehen. Hätte sie es nicht getan, hätte sie Adini womöglich die Augen ausgekratzt.
    Am liebsten wäre sie nach St. Petersburg zurückgereist. Doch inzwischen hatte sich auch noch der Rest der Familie im Sommerdomizil Peterhof eingefunden – welche Rechtfertigung hätte Olly also gehabt, sich ganz allein in der Stadt aufzuhalten?
    So blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. An manchen Tagen gelang ihr dies besser als an anderen.
    »Ich bewundere dich für deine Haltung«, sagte Anna, als sie nach einem besonders fröhlichen Ausflug zurück ins Landhaus kamen.
    Olly lächelte müde. »Das brauchst du nicht. Ich lache nur, damit ich nicht weinen muss.«
    Der Sommer 1843 ging turbulent weiter. Ende Juni fand Adinis und Friedrichs inoffizielle Verlobung statt, die offizielle sollte im Dezember folgen. Adinis Strahlen in diesen Tagen ließ die Sonne erblassen. Der einzige Wermutstropfen war ihr anhaltender Husten, der durch die Meeresbäder, die ihre alte Erzieherin Mrs Brown ihr tagtäglich empfahl, nicht besser wurde.
    Weitere Gäste trafen in Russland ein: der Herzog von Nassau, der um Helenes Tochter Elisabeth werben wollte, sowie sein Bruder Moritz, der sich eingehend um Olly bemühte. Sofort witterten die Frauen in Ollys Umgebung eine weitere Romanze, doch Olly winkte ab. Moritz war zwar unterhaltsam und nett, mehr aber auch nicht.
    Natürlich sehnte sie sich nach einem liebenden Mann, nach einer eigenen Familie und Kindern. In manchen Nächten war ihr Sehnen so groß, dass es sich faustgroß in ihrem Bauch zusammenknüllte und weh tat. Aber deswegen den Nächstbesten nehmen? Olly hatte ihren Traum von einem edlen, guten Mann, den sie achten und dem sie vertrauen konnte, noch nicht aufgegeben.
    Deshalb trauerte sie auch Friedrich nicht länger nach. Er war ein lieber Kerl – und Adini war ganz vernarrt in ihn –, aber in mancher Hinsichtein wenig langsam, das erkannte sie im Laufe der Zeit immer deutlicher. Manchmal, wenn jemand einen Scherz machte, dauerte es einen Moment zu lange, bis er die Pointe verstand. Wenn ein Dichter oder Denker zitiert wurde, wusste er nicht immer, um wen es sich handelte. Auch seine

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