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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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der Wäsche beschäftigt, Grigor war auf dem Kohlacker.
    »Mutter, ich bin so müde. Und mir ist so kalt …«
    Der Blick der Frau fiel erneut auf das zusammengekauerte Häufchen Elend am Tisch. »Das kommt von deinen Heldentaten! Ich habe dir doch schon einen extra Teller Suppe gegeben, damit dir wieder warm wird, mehr geht nicht, dein Vater und deine Geschwister müssen heute Abend auch satt werden.« Sie strich ihrem jüngsten Sohn über den Schopf, fühlte dabei prüfend seine Stirn, die glühend heiß war. Der Junge war krank, auch das noch. Ein Paar Hände weniger, und das Tagwerk war nur schwer zu bewältigen. Sie stieß einen leisen Fluch aus. Warum hatte ausgerechnet ihr Mischa den Zarenbalg aus dem Wasser retten müssen? Einer von denen weniger – was wäre schon dabei?
    »Kann ich wenigstens noch einen Becher Tee haben?«
    DieFrau des Bootsmannes verschloss ihre Ohren gegenüber der flehentlichen Stimme. »Und die Arbeit tut sich von selbst, ja? Nichts da, zuerst gehst du nach hinten und hilfst Naschtinka beim Ziegen-melken, sonst wird sie nie fertig. Von mir aus soll sie die Milcheimer heute allein ins Haus schleppen, damit du dich ein wenig ausruhen kannst.« Noch während sie sprach, begann die Frau, mit einer Scheuerbürste einen Topf zu bearbeiten.
    Mischa stand auf, schwankte, stützte sich an der Hüttenwand ab. Er warf seiner Mutter einen letzten bittenden Blick zu – vergeblich. Fahrig stolperte er aus der Hütte, um die ihm aufgetragenen Pflichten zu verrichten.
    *
    Olly wälzte sich unruhig in ihrem Bett hin und her, jeder Knochen tat ihr weh. In ihrem Kopf war jemand mit einem Hammer zugange, der ständig gegen ihren Schädel schlug und die Gedanken zerrüttelte. Und wenn bloß ihr Hals nicht so trocken und rau gewesen wäre! Bei jedem Husten glaubte sie in tausend Teile zu zerbrechen, da nutzte es auch nichts, wenn sie die Hände gegen die Rippen presste.
    Zitternd griff sie nach dem Glas Wasser, das Charlotte ihr neben das Bett gestellt hatte. Doch das Schlucken tat ihr weh, und sie hatte das Gefühl, ihr Hals wäre eine glühende Masse.
    »Die Lunge arbeitet schneller und heftiger als gewöhnlich, ich befürchte, es handelt sich um eine Lungenentzündung«, konstatierte einer der Leibärzte der Zarin, nachdem er seinen Kopf auf Ollys Brust gedrückt hatte. »Dazu das Fieber, das meiner Ansicht im Laufe der Nacht noch steigen wird …«
    »Und was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Charlotte.
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nichts Gutes, meine Liebe.«
    Drei Tage und drei Nächte kämpfte Olly gegen das Fieber. Unermüdlich tauschte Charlotte warme gegen kalte Tücher aus. Olly nahm den Essiggeruch des feuchten Leinens nur entfernt wahr. Sie wollte keine nassen Tücher auf dem Leib, ihr war doch kalt! Nein, heißwar ihr, so heiß, sie verbrannte, da taten die Tücher gut. Das Stechen in ihrer Brust, es zerriss sie, es tat so weh …
    »Schwesterherz, Olly, du musst durchhalten!«
    Ist das Saschas Stimme …? Fieber … Hitze … Rote Schwaden in meinem Kopf, die fliegen, wegfliegen, wie die Schwalben auf der Weide …
    »Wenn es wegen Lugano ist – das tut mir wirklich leid, Olly, das musst du mir glauben.«
    Mary? Was tut Mary leid? Ollys Atem ging so schwer, dass sie außer ihrem eigenen Keuchen fast nichts hören konnte.
    »Die Ärzte sagen, wenn das Fieber sinkt, hast du gewonnen.«
    »Ich habe dir Luisa gebracht.« Adini? Die Puppe mit den zerrupften Haaren. Ein Spiel, alles nur ein Spiel.
    »Olly, verflixt noch mal! Du darfst nicht sterben, hörst du?«
    Jemand rüttelte so heftig an ihrem Arm, dass Olly glaubte, ihre vom Fieber überempfindlich gewordene Haut würde reißen. »Nicht sterben, nicht meinetwegen – das würde ich mir nie verzeihen!«
    Kosty … Zwischen den Booten … regenschwere Glieder, der eisige Wind in ihrer Lunge … Mischa hat Kosty gerettet …
    »Kosty?« Ihre Stimme war nur ein Seufzen.
    »Schau, wie schwach sie ist! Das kommt von deinem Davonrennen. Wenn deine Schwester stirbt, bist du schuld daran.«
    Eine böse Männerstimme. Lütke. Die kleine Hand jäh von Ollys Arm gezerrt.
    Mit letzter Kraft riss Olly die Augen auf. »Kosty …«
    »Sie ist wach, sie lebt, hurra!« Sein Aufheulen zerriss fast Ollys Ohren. Sie blinzelte, sah um ihr Bett herum Schatten – Charlotte, der schreckliche Lütke, ihre Geschwister.
    »Alles wird gut«, keuchte sie. »Ich werde nicht sterben. Wir müssen doch … zusammenhalten …«
    »Entspricht es wirklich der neuesten

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