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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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verhindern, dass Württemberger in Fabriken dahinsiechen, wie dies in England der Fall ist. Hier gilt es, Gesetze zu schaffen, die so etwas verbieten.«
    Fasziniert hatte Olly ihm zugehört. Dieselben Dinge beschäftigten auch sie. Seit Jahren schon! Umso enttäuschter war sie, als er nun verächtlich abwinkte.
    »Am besten vergessen Sie gleich wieder, was ich gerade gesagt habe.Dafür interessiert sich sowieso kein Mensch. Mein Vater hat für mich, den einzigen Sohn, ganz andere Pläne. Die hohe Diplomatie – das hatte er für seinen Thronfolger wohl im Sinn. Aber er lässt mich jeden Tag spüren, dass ich seinen Wünschen in keiner Weise gerecht werde. Wenn es nach ihm ginge, müsste ich lieber heute als morgen mit dem Theaterspielen aufhören. Reine Zeitverschwendung ist das in seinen Augen. Und die Pläne für die Villa sollte ich am besten verbrennen.« Er schnaubte.
    Olly glaubte nicht richtig zu hören. »Ihr Vater sollte stolz auf Sie sein. Stolz darauf, dass Sie so mannigfaltige Interessen haben. Und dabei nicht nur an sich selbst denken, sondern auch noch das Wohl anderer im Sinn haben!«
    »Mein Vater hat nur sein eigenes Wohl im Sinn«, entgegnete Karl bitter. »Übrigens hat er längst ein Domizil für mich in Auftrag gegeben. Direkt gegenüber vom Schloss, wo er mich ständig unter Kontrolle hätte. Sollte ich nicht wie geplant in seinen Prinzregentenbau einziehen, würde er mir die Hölle auf Erden bereiten.«
    »Aber die Villa ist Ihre große Passion! Und es ist normal, dass sich Kinder irgendwann ein eigenes Heim wünschen, das muss Ihr Vater doch verstehen«, entgegnete Olly vehement. »Meine Schwester Mary zum Beispiel hatte auch genaue Vorstellungen von ihrem Palast, und nicht all ihre Ideen fanden die Zustimmung unseres Vaters. Mary ist schon immer ihren eigenen Weg gegangen, ganz gleich, was andere davon hielten.«
    »Den eigenen Weg gehen, das haben Sie schön gesagt.« Karls Augen glänzten. »Das versuche ich schon mein Leben lang. Aber Vater traut mir selbständiges Gehen nicht zu. Deshalb hat er mir auch Friedrich Hackländer als Sekretär zugewiesen. Er verwaltet nicht nur mein Geld – vor allem soll er ein Auge auf mich haben, damit ich keine Dummheit anstelle. Wahrscheinlich sitzt er gerade jetzt über einen Brief gebeugt, um meinem Vater Rechenschaft über mein Treiben abzulegen.«
    »Ich dachte, Herr Hackländer ist Ihr Freund?« Olly war nun völlig verwirrt. War bei Karl denn gar nichts so, wie es auf den ersten Blick erschien?
    »Hackländerist ein netter Kerl, er ist wirklich sehr besorgt um mich und will nur mein Bestes«, sagte Karl. »Aber ich habe es so satt, dass ständig Leute versuchen, mir Vorschriften zu machen. Ich will meinen eigenen Weg gehen, verstehen Sie?«
    Olly nickte. O ja, das verstand sie sehr gut.
    »Dann tun Sie es«, sagte sie eindringlich. »Gehen Sie Ihren Weg! Auch wenn Sie dabei einen Umweg in Kauf nehmen müssen. Oder zuerst Steine wegräumen müssen, die Ihnen andere vor die Füße legen. Lassen Sie sich nicht aufhalten. Dann steht Ihnen die Welt offen.« Nichts anderes hatte ihr Anna ein Leben lang gesagt. Und ihr Vater hatte ähnliche Ratschläge für sie parat gehabt. Nicht immer hatte sie diese Worte hören wollen, aber nun spürte sie, wie eine lange verschüttete Kraft sie durchströmte. Sie straffte ihren Rücken.
    Sie war eine Romanow. Eine Romanow ließ sich nicht unterkriegen. Vom Leben nicht und von Stolpersteinen erst recht nicht.
    Noch während diese Erkenntnis sie durchdrang, wurde ihr bewusst, dass Karl diese innere Stärke nicht gegeben worden war. Von wem auch? Von seinem garstigen Vater? Doch alles musste man sich als braver Sohn oder als brave Tochter auch nicht gefallen lassen. Vielleicht sollte sie das Karl einmal sagen.
    »Wir zwei, wir wären ein prächtiges Paar, mit Ihnen könnte ich bis ans Ende der Welt gehen«, sagte er unvermittelt. »Es ist wirklich seltsam, aber in Ihrer Gegenwart fühle ich mich so stark und selbstsicher wie sonst nie. Wobei … das stimmt eigentlich nicht. Den ersten Schritt auf meinem Weg habe ich immerhin schon getan. Denn wäre es nach dem Willen meines Vaters gegangen, säße ich nicht hier.«
    »Aber … Ich dachte, Sie haben mich nur auf ausdrücklichen Wunsch des Königs aufgesucht?«, fragte Olly stirnrunzelnd. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr – hat nicht Ihr Herr Vater mir einen Brief geschrieben?«
    Karl lachte. »Das schon, der Gedanke, eine russische Großfürstin als Schwiegertochter

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