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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ersparen?
    Wenn du aber auf die Stimme Gottes hörst … Wenn du aber auf die Stimme Gottes hörst … Stumm sagte sie sich die Worte immer wieder vor, bis sie in einer Art Widerhall in ihrem Inneren erklangen.
    Hatte Gott dafür gesorgt, dass Karl ihr ausgerechnet in der Stunde ihrer größten Not über den Weg lief?
    Vielleicht war es gar nicht nötig, so viel zu grübeln. Vielleicht sollte sie auch nicht ständig in sich hineinhören und auf ein Bauch-kribbeln warten? Wahrscheinlich wusste Gott wirklich besser als sie, was gut und richtig war.
    Nach und nach entspannten sich Ollys verkrampfte Muskeln, aufatmend ließ sie ihren Kopf aufs Kissen sinken. Ein tiefer Frieden durchströmte sie. Sie würde abwarten, was der morgige Tag brachte. Und der Tag danach. Und der Rest ihres Lebens. Gott würde wissen, was gut für sie war.
    Während in der Villa Olivuzza die letzten Lichter gelöscht wurden, brannten im Salon des Palasts der Marchesa Sessa – dem Quartier der Württemberger – die Kerzen weiter.
    Nach einem opulenten Mahl und etlichen Flaschen gutem Rotwein wünschten General Spitzemberg und der Architekt Leins weit nach Mitternacht dem Prinzen endlich eine gute Nacht. Auch der Thronfolger erhob sich von der Tafel. Zu Friedrich Hackländers Erleichterung war ihm jedoch nicht nach Schlafen zumute, sondern lediglich nach einem menschlichen Bedürfnis.
    Während er auf Karls Rückkehr wartete, schenkte Hackländer sich und dem Thronfolger großzügig Wein nach. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen schaute er in die träge Nacht hinaus und atmete durch. Endlich ein wenig Ruhe. Keine Minute länger hätte er dem Tischgespräch lauschen wollen.
    Dieschöne Olga hier, die wundervolle Olga da. Er konnte ja verstehen, dass der Prinz aufgrund des bisherigen Verlaufs seiner Brautschau enthusiastisch war, aber mussten die anderen ihm derart schmeichelnd nach dem Mund reden?
    Sicher, die Russin wäre eine glanzvolle Trophäe für Württemberg. Würde Karl mit ihr als Braut nach Hause kommen, wären seine zahlreichen Säumnisse aus der Vergangenheit sicher schnell vergessen. König Wilhelm wäre voll des Lobes für den Sohn, der in seine Fußstapfen trat, indem er eine Zarentochter zur Frau nahm.
    Wilhelm voll des Lobes für Karl? An dieser Stelle kam selbst Hackländers blühende Phantasie für einen Moment ins Stocken. Bestimmt würde der König auch hier das Haar in der Suppe finden. Dabei konnte der junge Prinz nüchtern betrachtet wirklich keine bessere Partie machen.
    Warum war er trotzdem so skeptisch, was die Großfürstin anging?, fragte sich Hackländer nicht zum ersten Mal. Trieb ihn die Sorge um, dass sich Karl in Bezug auf Olga Hals über Kopf in viel zu tiefe Gewässer stürzte? Und das, wo es ihm die meiste Zeit kaum gelang, den Kopf über Wasser zu halten!
    Seit er, Hackländer, vor drei Jahren den begehrten Posten als Karls Sekretär bekommen hatte, lag es an ihm, dem Königssohn die Welt zu erklären und ihn vor jedweder Dummheit zu bewahren. Er liebte diese Aufgabe mehr als jede andere, die er zuvor innegehabt hatte, und glaubte, gute Arbeit zu leisten. Er hatte Karls Ohr, der junge Kronprinz mit seinen vielen Ideen und Idealen schaute zu ihm, dem welterfahrenen Literaten, auf. Selbst König Wilhelm hatte sich schon lobend über seinen positiven Einfluss geäußert. Vor allem darüber, dass es ihm gelang, Karl davon abzuhalten, seine Ideen in die Tat umzusetzen. Dabei war so mancher Denkansatz von Karl eigentlich sehr lobenswert. Aber wem nutzte das, wenn der König es anders sah?
    Hackländer gestand sich ein, dass auch er von dieser Beziehung profitierte: Der Glanz des Königssohns färbte auf ihn ab, er schätzte die vielen Reisen, die sie gemeinsam unternahmen, und er genoss es, als einfacher Mann ungewöhnlichen Ereignissen beizuwohnen. Am allermeistenliebte er es jedoch, durch den Thronfolger die Bekanntschaft so vieler hochrangiger Persönlichkeiten zu machen. Prinzen, Könige, nun sogar der russische Zar – wer hätte gedacht, dass er, der arme Literat aus Preußen, einmal den Mächtigsten der Mächtigen gegenüberstehen würde?
    Umso weniger gefiel ihm der Verlauf ihrer Italienreise. Dass die Zarin und Olga ihn bei ihren Einladungen einfach ignorierten, verstand er nicht. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, dass der russische Zarenhof im Umgang mit Untergebenen eigenen Regeln folgte, aber mit so viel Arroganz hatte er nicht gerechnet. Wussten die Zarin und ihre Tochter denn nicht,

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