Die Zarentochter
zu bekommen, besitzt in seinen Augen einigen Charme. Aber er weiß nicht, dass ich Ihren Vater schon vor Wochen in Venedig getroffen habe. Und er weiß auch nicht, dass ich längst bei Ihnen in Palermo bin. Ich bin ihm also zuvorgekommen.« Mit einergehörigen Portion Trotz in der Stimme führte er weiter aus: »Ich wollte Sie zu meinen Bedingungen treffen. Glauben Sie mir, als Ihr Vater mir erlaubte hierherzukommen, war ich der glücklichste Mann auf der ganzen Welt, und ich bin es noch.«
»Tatsächlich?«, hauchte Olly. Auf einmal fehlten ihr die Worte. Karl war aus freien Stücken hier? Nicht, weil sein Vater es ihm befohlen hatte? Oder Hackländer ihm dies souffliert hatte?
Zaghaft nahm Karl ihre Hand. »Vielleicht halten Sie mich für ein wenig verrückt, wenn ich Ihnen das sage, aber ich hatte schon im Vorfeld unseres Kennenlernens ein seltsames Gefühl … Als ob Sie und ich füreinander bestimmt sind. Ich kann es nicht besser erklären, aber es war erhebend, mächtig und auch ein wenig erschreckend zugleich.«
»Füreinander bestimmt?«, wiederholte Olly und kam sich vor wie ein Papagei.
Er nickte. »Liebste Großfürstin, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als Sie näher kennenlernen zu dürfen. Und wer weiß – vielleicht kann ich Sie eines Tages so glücklich machen, dass Ihnen das Leben selbst wie ein Traum vorkommt.«
»Keine Angst, ich frage dich nicht, wie dein Tag war oder ob der Prinz dir gar schon einen Antrag gemacht hat«, sagte Anna, als Olly am frühen Abend zurückkam. »Aber dafür, dass du vor ein paar Tagen noch sterben wolltest, siehst du ziemlich glücklich aus.« Prüfend hielt sie einen Finger in das Fußbad, das sie für Olly vorbereitet hatte.
»Sei nicht so gemein! Nach allem, was mir widerfahren ist, könntest du ruhig ein wenig mitfühlender reden«, erwiderte Olly lachend und ließ ihre schmerzenden Füße genussvoll von dem warmen Wasser und ein paar Zitronenscheiben umspülen. »Ach, es war ein herrlicher Tag! Ich bin noch ganz überwältigt von den vielen Eindrücken. Die schönen Villen, die herrlichen Gärten – ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, sagte sie, während Anna ihren rechten Fuß massierte.
Anna hob drohend die Brauen. »Wehe, du erzählst mir etwas von Pilastern und Säulengängen!«
»Interessiertdich das etwa nicht?«, sagte Olly neckend. Als Anna den Schwamm hob und so tat, als wolle sie ihn nach ihr werfen, fuhr sie lachend fort: »In Ordnung, kommen wir gleich zum Wesent lichen. Der erste gute Eindruck, den Karl hinterlassen hat, hat sich heute bestätigt. Er ist liebenswert, freundlich und gebildet. Aber dar über hinaus steckt mehr in ihm, als man auf den ersten Blick vermutet. Ob du’s glaubst oder nicht, er hat mich heute mehr als einmal überrascht, und zwar sehr positiv.« Versonnen wanderte ihr Blick aus dem Fenster, durch das der Duft von frisch geschnittenem Gras hereinwehte.
»Er strahlt etwas sehr … Solides aus. Ich weiß, das hört sich seltsam an, aber nach all den Turbulenzen der vergangenen Jahre erscheint er mir wie eine Insel der Ruhe. Wie ein Ort, an dem ich mich endlich ausruhen kann. Bei ihm muss ich mich nicht verstellen, sondern kann sein, wie ich wirklich bin.«
»Das klingt schön«, sagte Anna leise.
Olly lächelte. »Und er schaut mich so bewundernd an, als wäre ich längst eine Königin. Ganz andächtig ist er dabei. Seine Bewunderung tut mir gut, das gebe ich gern zu.« Sie lachte. »Ja, ich würde ihn gern noch näher kennenlernen. Wenn Mutter es erlaubt, will er morgen mit mir durch die Stadt fahren. Er hätte eine kleine Überraschung für mich vorbereiten lassen, meinte er vorhin beim Abschied.« Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie sagte: »O Gott, er wird mir doch hoffentlich keinen Antrag machen?«
»Aber das wäre doch eine wundervolle Überraschung! Und so romantisch. Du die Königin von Württemberg – damit würden all deine Wünsche doch noch in Erfüllung gehen. Und hast du nicht gerade selbst gesagt, der Mann gefalle dir?«
Olly jagte Grand Folie weg, der von dem Zitronenwasser trinken wollte.
»Ja, schon. Aber das alles kommt so plötzlich. Dass ich mich überhaupt wieder für einen Mann interessiere, ist für mich nach allem, was geschehen ist, ein Wunder. Aber gleich heiraten? Ich weiß, was du sagen willst«, bemerkte sie, kaum dass Anna den Mund öffnete. »Eigentlich müsste ich froh sein, dass sich bei meiner Vorge schichteüberhaupt noch ein Mann für mich interessiert.
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