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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Berlin, Potsdam und Weimar, die württembergische Gesandtschaft natürlich, dazu etliche befreundete Monarchen, Würdenträger und Angehörige verschiedener europäischer Höfe. Die übrigen Gäste waren im Laufe des Tages angekommen. Karls Eltern nahmen an dem Fest nicht teil – eine plötzliche Verschlechterung von Wilhelms Gesundheitszustand hatte die lange Reise verhindert. Olly wusste nicht, ob sie diesen Umstand bedauern sollte.
    Wie Karl sich heute Nacht wohl fühlte? Ob er schon schlief? Feierte er mit Friedrich Hackländer, dem General von Spitzemberg und anderen Männern aus seinem Gefolge seinen letzten Abend als unverheirateter Mann?
    Oder war er noch spazieren gegangen? Karl war ein eifriger Spaziergänger, der sich weder von Wind noch Wetter aufhalten ließ, das hatte sie inzwischen herausgefunden. Neben ihrer Begeisterung für die Literatur, die Architektur und die Kunst hatten sie also auch die Liebe zur Natur gemeinsam. Wann immer die mit Terminen gefüllten Tage ihnen eine kurze Verschnaufpause ließen, spazierten sie ein Stück am Strand entlang. Einmal hatte Karl ihr dabei erzählt, dass sein Vater mitten in Stuttgart einen herrlichen botanischen Garten hatte anlegen lassen, in dem es sich ganz wunderbar flanieren ließ. Und ihre Villa Berg würde auch einmal inmitten einer herrlich hüge ligenLandschaft stehen, so dass sie ihre morgendlichen Spaziergänge direkt vor der Haustür würden beginnen können.
    Stuttgart … Sosehr sie sich auch anstrengte, bisher wollte kein Bild vor Ollys innerem Auge entstehen, wenn sie an ihre neue Heimat dachte. Dabei wurde Karl nicht müde, ihr Württemberg in den leuchtendsten Farben zu schildern. Dennoch blieb Württemberg in ihrem Kopf weiterhin nur ein Phantasiegebilde.
    »Hier bist du«, ertönte plötzlich Annas Stimme hinter ihr. »Dachte ich mir doch, dass du noch nicht schläfst.«
    Olly drehte sich lächelnd um. »Dabei wäre schlafen das Klügste. Wenn ich an den anstrengenden Tag morgen denke, wird mir ganz schlecht vor Aufregung. Ihr wart spazieren?« Sie wies auf Grand Folie, der sich hechelnd der Länge nach auf dem kühlen Marmorboden ausstreckte.
    Anna nickte. »Ich habe dich unten am Strand vermutet. Ein letzter Blick übers Meer …«
    Olly seufzte. »Ach Anna, wie gut du mich kennst. Ich bin wirklich schon den ganzen Tag dabei, Abschied zu nehmen. Bei jedem Bild, bei jeder Treppenstufe und jedem Baum – Schritt für Schritt wurde mir bewusst, dass ich die Dinge zum letzten Mal sehe.« Bevor sie wusste, wie ihr geschah, schossen ihr die Tränen in die Augen.
    Ihre letzte Nacht als unverheiratete Frau. Ihre letzte Nacht mit Anna. Auf einmal waren all die guten Vorsätze, die sie für ihren Abschied von Russland gefasst hatte, wie weggeblasen. Ihr war nur noch schwer ums Herz. So schwer, dass sie am liebsten die ganze Hochzeit abgesagt hätte.
    »Kannst du nicht doch mit nach Stuttgart kommen? Bitte!« Der Gedanke war so tröstlich, dass Ollys Zittern sofort aufhörte. »Du und ich, wie in alten Zeiten«, seufzte sie sehnsuchtsvoll.
    Die Hofdame lachte. »Vielleicht besuche ich dich einmal. Aber ein Umzug für immer? Dafür bin ich zu alt. Ab jetzt wirst du deinen Weg ohne mich gehen müssen. Du hast einen wundervollen Mann an deiner Seite, durch Karl wirst du in Stuttgart viele neue Freundschaften schließen und mich schnell vergessen.«
    »Nie,nie im Leben!«, rief Olly, und schon liefen neue Tränen über ihr Gesicht.
    »Nicht weinen, dafür gibt es keinen Grund. Vielmehr sollten wir unserem Gott danken für alles, was wir zusammen erleben durften«, murmelte Anna und strich ihr übers Haar, wie sie es all die Jahre gemacht hatte. »Ganze zehn Jahre durfte ich an deiner Seite sein, allein das macht mich zu einer sehr glücklichen Frau. Nun brauchst du mich nicht mehr, also werden wir beide neue Wege gehen. Ich freue mich auf alles Neue, was da kommen mag.«
    Olly nickte stumm. Im Anschluss an die morgige Hochzeitszeremonie sollte Anna vom Zaren das Abzeichen des Katharinenordens bekommen – eine große Ehre, die nur wenigen Damen zuteil wurde. Finanziell hatte er Anna auch bestens abgesichert. Außerdem wollte er ihr den Schlüssel zu einem sehr hübschen Stadtpalais überreichen. Der Gedanke, wie glücklich ihre alte Freundin sein würde, wenn sie erfuhr, dass ihr neues Zuhause am sonnigen Fontanka-Ufer lag, vertrieb Ollys Traurigkeit ein wenig. Im Geist sah sie Anna und Grand Folie am Ufer des Kanals spazieren gehen. Anna wusste noch

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