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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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»Womöglich würdigt mich keiner auch nur eines Blickes.«
    Anna winkte ab. »Mach dich nicht verrückt, Liebes. Du wirst so viele Verehrer haben, dass du bald nicht mehr ein noch aus weißt. Du wirst Körbe verteilen müssen und dir den Richtigen mit Bedacht aussuchen. In zwei, drei Jahren wirst du eine der besten Partien von ganz Europa heiraten – ach was, von der ganzen Welt! Kaiserin eines großen Reiches wirst du werden oder eine mächtige Königin. Und dann … du weißt schon –« Sie brach ab, als eine der Zofen an Olly herantrat, um eine Rockfalte glattzustreichen.
    Olly sah ihre Betreuerin zweifelnd an. »Und du glaubst wirklich, ich bin so weit?«
    Anna nickte. »Weißt du, was meine Großmutter immer zu mir sagte? ›Auch in deiner Straße wird es einmal ein Fest geben.‹«
    Bevor Olly wusste, wie ihr geschah, fasste Anna sie an den Händen und wirbelte mit ihr durch den Raum.
    »Und dieses Fest, mein liebes Kind, findet heute Abend statt!«
    »Noch einmal jung sein«, seufzte Großfürstin Helene, während sie und Anna zusammen mit den anderen Anstandsdamen von ihrem Tisch aus die jugendlichen Gäste im Blick behielten.
    Knappachtzig junge Damen und Herren hatte Olgas Tante eingeladen, Töchter und Söhne von Freunden und aus dem weiteren Familienkreis, Kinder von Geschäftsleuten, aber auch junge Dichter, Musiker. Sogar ein Freskenmaler und ein Orgelspieler waren heute Abend zu Gast im Michajlow-Palast.
    Während die jungen Damen sich angeregt miteinander unterhielten, taten die Herren so, als wären sie eigentlich gar nicht da. Gleichzeitig wanderten im Kerzenschein so viele mehr oder minder auffällige Blicke zwischen den beiden Geschlechtern hin und her, dass die Luft fast zu flimmern schien. Noch hatte keiner die unsichtbare Linie, die die jungen Männer und Frauen voneinander trennte, überschritten. Welcher Herr würde wohl als Erster den Mut fassen, eine der Damen anzusprechen?
    »Wem sagen Sie das«, antwortete Anna, deren Augen nicht wussten, wohin sie zuerst schauen sollten, so schön hatte die Großfürstin alles herrichten lassen. Hunderte von Kerzen tauchten den Saal in goldenes Licht, in silbernen Gefäßen jeglicher Art waren riesige Tulpensträuße dekoriert, die dem klassizistisch strengen Raum eine verspielte Atmosphäre gaben. So viele frische Blumen – wo hatte Helene die nur aufgetrieben? Wenn Geld keine Rolle spielte, waren eben viele Dinge möglich, dachte Anna nicht zum ersten Mal.
    Ein Streichquartett spielte, es gab Champagner, Fruchtbowle und eine riesige Marzipantorte, um die sich schon jetzt vor allem die jungen Herren scharten.
    Anna reckte den Hals, um einen Blick auf Olga zu erhaschen, die seit kurzem in ein Gespräch mit einem jungen Burschen vertieft zu sein schien und immer wieder interessiert nickte.
    »Schauen Sie nur, meine Olga führt erste Konversationen! Liebe Großfürstin Helene, ich kann Ihnen nicht genug für diesen Ball danken.«
    »Dieses Fest auszurichten war mir ein großes Vergnügen, meine Liebe. Für ein junges Mädchen ist es wirklich viel leichter, auf ungezwungene Art erste gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen, ohne dass die Mutter mit strengen Augen hinter ihr steht und jedes Wort belauscht. Olga schlägt sich übrigens tapfer, wenn ich das anmer kendarf. Sergei Lobinski scheint ganz entzückt von ihr. Der reizende junge Herr ist Orgelspieler, müssen Sie wissen.«
    Einer der Musiker kam und erbat von Helene die Erlaubnis, mit dem Spielen beginnen zu dürfen. Während die ersten Töne eines Beethoven-Streichquartetts erklangen, sagte Helene: »Wenn in zwei, drei Jahren meine Töchter an der Reihe sind, richtet meine liebe Schwägerin vielleicht auch für sie einen Ball im Winterpalast aus.«
    »Falls der bis dahin schon fertig renoviert ist«, seufzte Anna. »Das Palais Anitschkow bietet für solche Feste« – sie machte eine Handbewegung, mit der sie den Ballsaal einbezog – »jedenfalls keinen Raum!«
    *
    »Sie müssen wissen, dass das liturgische Orgelspiel schon seit der karolingischen Zeit große Bedeutung für die abendländische Kirche hat. Unglaublich, nicht wahr?«
    »Sehr interessant«, murmelte Olly und schaute sich diskret hilfesuchend um. Keine bekannte Person, niemand, zu dem sie gehen konnte. Niemand, der sie vor diesem Langweiler Sergei Lobinski retten würde.
    »Allerdings ist es erst seit gut hundert Jahren Brauch, mit der Orgelmusik die Gesänge der Kirchengemeinde zu begleiten, zuvor –«
    »Großfürstin Olga, wie

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