Die Zarentochter
gelaunt. Sie war sich nicht sicher, ob diese Sprunghaftigkeit immer ein Segen war, aber im Moment kam sie ihm zugute.
»Jedes der Eier im Nest besteht aus einem achtkarätigen Rubin«, sagte der Juwelier. »Es ist eines der wertvollsten Stücke und hat keinesfalls etwas Bayerisches«, schob er ein wenig beleidigt hinterher.
»Das würde ich auch nie behaupten«, sagte Großfürst Alexander mit einem entwaffnenden Lächeln. Er zeigte auf eine Schwalbe aus hellblauem Aquamarin und Diamanten.
»Wäre das etwas für Victoria? Ich habe nicht die geringste Ahnung, was in England derzeit en mode ist.«
Währenddie Jugend über die englische Mode diskutierte, entspannte sich Anna ein wenig.
Sobald Ollys Bruder erst einmal unterwegs war, würde er Olga Kalinowski sicher schnell vergessen. Andere Mütter hatten schließlich auch hübsche Töchter. Mary würde ebenfalls zur Vernunft kommen, vielleicht stimmte sie sogar einem neuerlichen Treffen mit Maximilian von Bayern zu. Und was Olga anging – sie würde sich ganz bestimmt einmal für den Richtigen entscheiden, jetzt, wo Bariatinski aus dem Weg war.
*
Anna mit ihrem unerschütterlichen Optimismus sollte zumindest teilweise recht behalten, wenn auch auf andere Art, als sie glaubte.
Als Zar Nikolaus sah, wie seine älteste Tochter von Tag zu Tag mehr dahinschwand, gab er – vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – klein bei: Der Bräutigam in spe, Maximilian von Leuchtenberg, wurde zu ausführlichen Gesprächen nach St. Petersburg beordert.
Sascha, der angesichts dieser Wende auch für sich neue Hoffnung schöpfte, wollte kurzerhand seine Reise absagen, woraufhin der Zar ein sehr langes und sehr ernstes Gespräch mit ihm führte. Eigenhändig verfrachtete er seinen Sohn auf das Schiff, das ihn nach Rostock bringen würde, von wo aus er nach Berlin reisen sollte. Saschas Liebelei war für ihn damit erledigt.
Am sechsten Dezember, kurz nach Saschas Abreise, wurde in der Kirche der Eremitage feierlich die Verlobung zwischen Maria Nikolajewna Romanowa und Max von Leuchtenberg gefeiert. Die Hochzeit sollte im kommenden Sommer folgen – Mary wählte dafür den ersten Juli, also den Geburtstag der Mutter, was diese sogleich milder stimmte.
Was keiner geglaubt hatte, war Wirklichkeit geworden: Mary durfte dem Ruf ihres Herzens folgen. Und zumindest für sie wurde alles gut.
14. KAPITEL
E igentlich habe ich gar keine Zeit!« Mit wehendem Rock kam Mary in den Salon und setzte sich zu ihnen an den Tisch, der zu seinem Schutz mit alten Zeitungen abgedeckt worden war. Körbe mit hartgekochten Eiern standen bereit, und wie jedes Jahr ließen es sich die Schwestern auch im Frühjahr 1839 nicht nehmen, die Eier eigenhändig rot zu färben. Später in der Woche würden sie in der Kirche geweiht werden, danach wollten die Zarin und ihre Töchter sie an die Armen der Stadt verteilen. Olly machte dieser eher symbolische Akt zwar sehr viel Freude, viel lieber aber hätte sie mehr praktische Hilfe geleistet, die eine wirkliche Linderung der Not bewirkte.
»Mutter will mich nachher zur nächsten Anprobe begleiten, ihr glaubt ja nicht, wie schrecklich aufwendig es ist, sich ein Brautkleid anfertigen zu lassen.«
Stirnrunzelnd ließ Olly ihren Pinsel sinken. Wann und vor allem wie war es Mary eigentlich gelungen, die Stimmung im Haus so grundlegend zu ändern? Als Mary im vergangenen Herbst mit ihrer Verweigerung jeglichen Essens ihre Heiratspläne durchgesetzt hatte, hatte die Mutter noch von einer »Schande« gesprochen. Ihre Tochter und eine morganatische Ehe! Inzwischen war die Zarin jedoch mit Feuereifer in sämtliche Hochzeitsvorbereitungen involviert, angefangen beim Brautkleid über die Gästeliste bis hin zur Gestaltung von Marys und Max’ zukünftiger Stadtvilla.
»Danndürfen wir es also als Ehre empfinden, dass du uns hilfst«, sagte Olly sarkastisch und malte mit raschen Pinselstrichen ein weiteres Ei rot an. Für Mary und ihre Kleiderproben hatte die Mutter also Zeit, ärgerte sie sich. Aber als sie die Zarin am Vormittag aufgesucht hatte, um mit ihr über weitere Hilfsmaßnahmen für die Armen zu sprechen, war sie weggeschickt worden.
Mary grinste. »Nein, ich helfe, weil es mir Spaß macht. Hast du noch einen Pinsel übrig?«, wandte sie sich zuckersüß an Adini, die der Schwester gleich zwei Pinsel und ein Töpfchen mit roter Farbe zuschob.
Nach einer Stunde war der Korb mit den roten Eiern gut gefüllt, die weißen Eier gingen allmählich zur Neige –
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