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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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herausgestellt.«
    »Wieso denn das? Was –« Sascha wollte Olly in die Zügel greifen, doch sie trieb ihr Pferd zur Seite.
    »Du willst wissen, warum ich eine einfache Hofdame für edler halte als meinen eigenen Bruder?«, sagte sie. »Nun, im Gegensatz zu dir hat Olga Kalinowski die Notwendigkeit von Vaters Entscheidung eingesehen, für sie scheinen Verzicht und Opfer selbstverständlich zu sein. Für den zukünftigen Zaren Russlands hingegen sind diese Tugenden Fremdwörter geworden.« Damit gab sie ihrem Pferd die Sporen und galoppierte davon, ohne sich noch einmal umzu drehen.
    Als sie am Abend in ihrem Bett lag, hasteten wieder einmal tausend Gedanken wie Ameisen durch ihren Kopf.
    Was war nur in sie gefahren? Sie hatte Sascha angeschrien, dabei litt er wie ein Hund. Warum konnte sie nicht einfach für ihn da sein und Geduld aufbringen für seine Traurigkeit, statt so hart mit ihm ins Gericht zu gehen? Wer gab ihr dazu eigentlich das Recht?
    Aber mit der Geduld war es leider aus und vorbei, und sie war nur nochwütend auf ihren großen Bruder, den sie von jeher bewundert hatte, der für sie immer ein Vorbild an Stärke und Ehrbarkeit gewesen war. Scheinbar war er nicht mehr Herr seiner Sinne.
    Olly fand das erschreckend. Und wenn Stephan noch so ein toller Mann war – nie wollte sie der Liebe wegen dermaßen den Kopf verlieren.
    Unruhig warf sie sich von einer Seite auf die andere.
    Dass sich ihr Vater nicht mehr um Sascha kümmerte! Auch dar über ärgerte sie sich. Schließlich war er es gewesen, der die Hofdame wie einen Stachel aus Saschas Fleisch entfernt hatte – dass man die zurückgebliebene Wunde versorgen musste, damit sie gut heilte, interessierte ihn nicht.
    »Du bist noch wach?«, sorgte sich Anna, als sie wie jede Nacht kurz nach Mitternacht bei Olly vorbeischaute. »Das kommt davon, dass du dir für deinen Bruder den Kopf zerbrichst. Es ist sein Leben, nicht deines«, rügte sie die junge Frau. Dann brachte sie Olly heiße Milch und Honig ans Bett, und als das nicht half, eine Karaffe süßen, starken Wein. Nach ein, zwei Gläsern glitt Olly in einen unruhigen Schlaf, nur um am nächsten Morgen mit noch stärkeren Kopf- und Gliederschmerzen wieder aufzuwachen.
    Woche für Woche ging ins Land, ohne dass Saschas gebrochenes Herz heilte. Sein Leid versteckte er weiterhin hinter einer dicken Mauer aus Wut, Sarkasmus und Bitterkeit.
    Bald war die höfische Festsaison im vollen Gange, doch Olly begleitete Sascha weiterhin auf Reisen oder teilte seine Einsamkeit. Beides fiel ihr zusehends schwerer. Immerhin konnte sie so der Einführung in die Gesellschaft entgehen. Wozu das Ganze, argumentierte sie gegenüber ihrer Mutter, die schon einen Plan für Ollys Ball-besuche aufgestellt hatte. Sie war doch längst mit dem ungarischen Palatin verlobt.
    Sosehr sich Olly um Saschas Wohlergehen sorgte – um ihre eigene Gesundheit kümmerte sie sich nicht. Die Kopfschmerzen hielten an, Olly ignorierte sie.
    Irgendwannhatte sie jedes Wort des Trostes gesagt und jedes bisschen Geduld aufgebracht. Sie war müde, ausgelaugt. Und noch immer kein Wort von Stephan.
    Kurz vor Weihnachten brach Olly ohnmächtig zusammen.
    Ein Nervenfieber, konstatierten die eilig herbeigerufenen Ärzte und schauten sich besorgt an.

16. KAPITEL
    Sommer 1840, Weimar
    G ott schütze dich und deine Familie!«
    »Und Gott schütze auch dich und deine Familie!«
    Ungeduldig stand Anna daneben, während Zar Nikolaus und seine Schwester Marie, die Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, sich in den Armen lagen.
    Außer den flusigen weißen Pappelsamen, die durch die morgen-frische Luft Weimars flogen, trübte keine Wolke das Himmelblau, die Schönwetterperiode schien weiter anzuhalten.
    Gutes Reisewetter, dachte Anna bei sich und hoffte, dass sich der Abschied nicht über Gebühr hinziehen würde. So wie vor zwei Wochen in Berlin, als die Zarin sich nicht von ihrer Familie hatte loseisen können. Schließlich war es zum Abreisen zu spät gewesen, also hatte man für eine weitere Nacht das Nötigste wieder ausgepackt.
    Zugegeben, der Tod des preußischen Königs Friedrich Wilhelm, des Vaters der Zarin, hatte die ganze Familie schwer erschüttert. Aber sollte man nicht dennoch ein wenig auf die Einhaltung von Reiseplänen achten? Hofmarschall Malikow, der den ganzen Reisetross zu organisieren hatte, war mit seiner Geduld jedenfalls fast am Ende – Trauer hin oder her.
    Anna seufzte.
    Eigentlich hätten sie schon im späten Frühjahr in Bad

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