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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gewartet, dass er sich in irgendeiner Form bei Olly für ihren Beistand bedankte – vergeblich. War der Zarewitsch wirklich so blind, nicht zu erkennen, dass seine Schwester vor lauter Sorge um ihn krank geworden war?
    Saschas »Krankheit« hatte fast ein halbes Jahr gedauert. Kurz darauf hatte er sich mit frischer Tatkraft in Richtung Hessen verabschiedet, in der Hoffnung, den entstandenen Vertrauensverlust noch einmal gutmachen zu können.
    Olly, die zu jener Zeit wieder auf den Beinen, aber noch äußerst schwach gewesen war, hatte er versprochen, baldmöglichst auch Kontakt mit Prag aufzunehmen, was sie sehr freute. Die Nachricht von Saschas Verlobungsfeier am vierten März in Darmstadt hatte ihrer Genesung weiteren Auftrieb gegeben. Und als Ende März Marys erstes Kind zur Welt kam, war Olly wieder ganz die Alte gewesen – und die Erste, die das kleine Mädchen im Arm hielt.
    »Bad Ems liegt doch an der Lahn.« Ollys Bemerkung riss Anna aus ihren Gedanken. »Womöglich hat Sascha eine romantische Schiffsfahrt geplant und Stephan dazu eingeladen. Oder es findet sich irgendwo ein Piano, und ich spiele Stephan etwas von Schumann oder Liszt vor …«
    Anna, die Ollys verträumten Blick sah, schwieg. Ihr gefiel es ganz und gar nicht, wie sehr sich ihr Schützling inzwischen in diese Verlobungsgeschichte hineinsteigerte. Und darin von ihren Eltern noch unterstützt wurde. Sogar in Berlin hatte die Verwandtschaft sie in ihrer »Verlobung« bestärkt. Sicher, der zukünftige Palatin von Ungarn war eine der besten Partien, die Olly machen konnte. Aber noch kannten sie den Mann nicht, hatten nur Saschas Wort darauf, dass er ein feiner Kerl sei. Anna war sich da längst nicht mehr sicher. Ihrer Ansicht nach hätte Stephan schon lange einmal selbst Kontakt zu Olly aufnehmen müssen, statt dies irgendwelchen Diplomaten zu überlassen, die sich dafür so viel Zeit ließen.
    GutePartie hin, beseelte Ausstrahlung her – sie würde sich den Burschen jedenfalls genau anschauen, beschloss Anna. Und wehe, er war nicht gut genug für ihre Olly!
    *
    Das darf doch alles nicht wahr sein, dachte Olly und konnte sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen. Fast kam es ihr vor, als wäre sie inmitten eines seltsamen Traums gelandet. Stattdessen stand sie ganz real mit ihrer Familie vor dem Badeschloss in Bad Ems, wo Cerise und ihre Angehörigen sie begrüßen wollten. Doch statt Hände zu schütteln, Willkommensgrüße entgegenzunehmen und die ersten Höflichkeiten auszutauschen, starrten Gäste wie Gastgeber auf einen jungen Mann und seinen Jagdhund, der sich jaulend am Boden wälzte.
    »Wenn der junge Herr die Freundlichkeit besäße, das Tier endlich wegzubringen?«, sagte Großherzog Ludwig II. mit erzwungener Ruhe. »Einen Moment noch, Eure Hoheit, das haben wir gleich«, wandte er sich dann entschuldigend an Zar Nikolaus.
    Oje, Vaters Miene wirkte wie versteinert. Kein Wunder, dass dem Hessen sein Lächeln verging.
    Auch Ollys Schmunzeln schwand, als sie die nervösen Blicke ihrer Mutter sah. Normalerweise wurde das Zarenpaar überall unterwürfigst empfangen, dass etwas bei einem Empfang nicht wie am Schnürchen klappte, hatte es noch nie gegeben. Dementsprechend unsicher reagierte Alexandra auf diese neue Situation.
    Olly überlegte noch, wie sie ihre Mutter ein wenig beruhigen konnte, als ihre Aufmerksamkeit erneut von dem jungen Mann und seinem Hund in Anspruch genommen wurde.
    »Ich bringe Orpheus erst weg, wenn Sie mir versprechen, dass er am Leben bleiben darf!« Breitbeinig baute sich der schmächtige Bursche vor dem Großherzog auf. »Nur weil er Angst vor Schüssen hat und nicht zur Jagd taugt, muss er noch lange nicht getötet werden.«
    »Das können die doch nicht machen«, flüsterte Olly Anna hektisch zu. Schon wollte sie einen Schritt nach vorn treten, als Anna sie am Arm packte.
    »Wehe,du mischst dich da ein. Am besten gehen wir spazieren, bis sich die Gemüter beruhigt haben.«
    »Keinesfalls, ich bleibe.« Entsetzt und fasziniert zugleich verfolgte Olly den weiteren Wortwechsel zwischen Großherzog und Hundehalter, dem anzusehen war, dass er sich in seiner Haut gar nicht wohl fühlte. Dennoch gab er keinen Fußbreit nach, und das im wortwörtlichen Sinne …
    Wer war der Mann, der hier eine solche Szene machte? Einer von Cerises Brüdern? Hatte Cerise überhaupt Brüder? Olly konnte sich nicht daran erinnern, dass Sascha welche erwähnt hatte.
    War das etwa Stephan? Olly, von Anna immer noch im Klammergriff

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