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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ändern, das weißt du ganz genau.«
    »An meiner Liebe zu Olga hat sich aber auch nichts geändert!«, schrie er.
    Ollys Wallach machte vor Schreck einen Satz nach vorn. Nur mit Mühe konnte sie sich im Sattel halten. Ihr Kopf schmerzte durch die Erschütterung noch mehr, und sie hatte schon eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, als sie die Tränen sah, die über Saschas blasse Wangen rollten. Wenn er nur nicht so unglücklich wäre! Vielleicht hätte sie ihm dann längst schon einmal den Marsch geblasen.
    »Vater kann mich nicht zwingen, eine Frau zu heiraten, die ich nicht liebe«, presste Sascha hervor. »Wenn er glaubt, ich werde Olga vergessen, nur weil er sie weggeschickt hat, hat er sich getäuscht. Liebe ist kein Geschwür, das man sich einfach herausschneiden kann.«
    Wie oft hatte sie diese Sätze schon gehört? Olly presste eine Hand an ihre Stirn, mit der anderen hob sie die Zügel ihres Pferdes an, so dass das Tier zum Stehen kam. Wenn wenigstens dieses schreckliche Pochen in ihrem Kopf aufhören würde.
    »Weißt du was?« Sie funkelte ihren Bruder an. »Ich kann dein Gejammer nicht mehr hören! Seit Wochen und Wochen nichts als ewiges Selbstmitleid, du tust gerade so, als habe Vater seine Entschei dungnur getroffen, um dir persönlich eins auszuwischen. Dabei geht es doch um viel mehr – du bist der zukünftige Zar Russlands, du kannst nicht irgendeine zur Frau nehmen. Du brauchst eine starke Frau, eine, die auch dann an deiner Seite sein wird, wenn der Wind einmal etwas rauer weht. Und nicht eine schmächtige Hofdame, die nichts kann, außer hübsch auszusehen.«
    »Also hör mal, Olga spricht mehrere Sprachen und –«
    »Erzähl mir nichts von Olga, ich kann den Namen schon nicht mehr hören«, blaffte Olly. »Sag mir lieber, wie lange sollen unsere Eltern die Menschen noch anlügen und behaupten, du wärst krank? Wahrscheinlich glaubt es eh keiner mehr, ich möchte mir jedenfalls nicht vorstellen, was derzeit in Hessen geredet wird. Oder an anderen europäischen Höfen. Als zukünftiger Zar gibst du kein gutes Bild ab, lass dir das gesagt sein. Aber das bekommst du vor lauter Selbstmitleid ja gar nicht mit. Wie es der armen Cerise bei alldem ergeht, interessiert dich ebenfalls nicht. Und von mir will ich erst gar nicht reden.«
    »Du? Aber … Ich habe doch die Sache mit Stephan für dich eingefädelt. Da dachte ich …«
    »Gar nichts kannst du dir gedacht haben, sonst wäre dir aufgefallen, dass dein lieber Stephan sich bis heute nicht bei mir gemeldet hat. Was glaubst du, wie elend ich mich dabei fühle?« Olly biss sich auf die Lippen, eigentlich hatte sie davon gar nicht reden wollen.
    Saschas Blick hatte fast etwas Tragikomisches. »Ach Olly, irgendwie hast du ja recht, ich bin ein schrecklicher Jammerlappen. Ich hasse mich selbst für meine Art. Aber wenn ich an Mary denke, wie sie –«
    »Komm mir bloß nicht mit Mary! Eure beiden Schicksale sind nicht zu vergleichen, und das weißt du selbst am besten«, fuhr Olly erneut auf. Du lieber Himmel, was war nur los mit ihr? Normalerweise war es nicht ihre Art, so garstig zu werden. Wenn nur ihr Kopf nicht so weh täte.
    »Mary hat noch nie weitreichende Zukunftspläne geschmiedet«, sagte sie. »Im Gegensatz zu dir! Wenn ich daran denke, wie du mir von der Not der Wolgavölker erzählt hast … Was wolltest du nicht alles besser machen als Vater! Hast du wirklich all deine Pläne für die Zukunft aufgegeben? Sascha, lieber Bruder, um Gutes zu tun, ist es nicht zu spät. Als Zar verfügst du später über die größte Macht auf Gottes Erdboden«, beschwor sie ihn nicht zum ersten Mal. »Mit der richtigen Frau an deiner Seite –«
    »Jetzt versuche nicht schon wieder, mir ein schlechtes Gewissen einzureden«, unterbrach er sie. »Verstehst du denn nicht? Ich bin nicht bloß der Zarewitsch, in erster Linie bin ich ein Mann, der Liebe und Leid empfindet. Dass ausgerechnet du mir in den Rücken fällst, hätte ich nicht gedacht. Bei dir hoffte ich auf mehr Verständnis«, fügte er voller Enttäuschung hinzu.
    Olly glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Wer hört sich denn seit Wochen dein ewiges Gejammer an? Nur, weil ich dir nicht nach dem Mund rede, wirfst du mir vor, dir in den Rücken zu fallen?« Trotz ihrer pochenden Stirn schüttelte sie heftig den Kopf. »Offen gesagt habe ich nie viel von Olga Kalinowski gehalten. Aber im Nachhinein muss ich ihr gegenüber Abbitte leisten, denn sie hat sich wirklich als edler Mensch

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