Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
Vom Netzwerk:
und mit Rosen und Vergissmeinnicht geschmückt; sie sieht älter aus als ihre vierzehn Jahre. Bolik, den Flüchtling, hat sie nicht vergessen. Er ist am Gebäude der Admiralität gesichtet worden, was ihre Enkelin in helle Aufregung versetzte, doch das undankbare Tier hat es geschafft, den Stallknechten des Palasts zu entwischen.
    Nach den Menuetten spielt das Orchester eine Polonaise. Prinz Adam muss den kaiserlichen Blick bemerkt haben, denn er verbeugt sich in ihre Richtung, die behandschuhte Hand auf die Brust gelegt. Ist sie die Einzige, die sieht, dass Elisabeths Nähe ihm die Farbe in die Wangen treibt?
    Gustav Adolf tanzt wieder mit Alexandrine, nachdem er ihre Hand aus Alexanders gelöst hat. Dieser Tyrannei unterwirft das Kind sich widerspruchslos. Die beiden bilden ein absolut bezauberndes Paar, zwei schlanke junge Körper, die vereint durch den Ballsaal gleiten.
    Der König hat jedermann wissen lassen, dass die kaiserliche russische Gastfreundschaft ihn überwältigt habe. Nicht nur die hervorragende Art der Unterhaltung, sondern auch die kleinen, kostbaren, wohlüberlegten Gesten. Besonders die Kiefernzweige, die in die schwedische Gesandtschaft geschickt worden seien, damit sein Raum nach frischen Kiefernnadeln riecht.
    Alexandrine tanzt jetzt mit reizend erhitztem Gesicht einen kleinen Kreis um den König. Wenn sie verheiratet sind, wird Katharina dafür sorgen, dass ihr im Winter der feinste Kaviar aus Astrachan geschickt wird und dazu ihre Lieblings- Wareniki . In den Sommermonaten wird sie ihrer Enkelin Seide und Porzellan zukommen lassen. Außerdem einen ordentlichen Vor
rat an diamantenbesetzten Schnupftabaksdosen zum Verschenken, eigentlich nichts Großartiges, aber unbezahlbar, um Loyalität zu erkaufen.
    Alexandrine wird viele gute Freunde am schwedischen Hof brauchen.
    Der Ball wird noch bis weit nach Mitternacht dauern. Nach den Tänzen werden die jungen Männer sich in den angrenzenden Raum begeben. Sie werden miteinander ringen und schwimmende brennende Kerzen mit dem Mund aus dem Wasser fischen. Solche schlichten Vergnügungen werden ihnen guttun. Alexander ist hervorragend darin. Ebenso Konstantin. Der König wird Mühe haben, seine zukünftigen Schwäger zu schlagen.
    Â»Finde heraus, worüber sie sich unterhalten«, sagt Katharina zu Le Noiraud, denn Gustav Adolf ist jetzt bei Alexander, und die beiden haben sich an den Rand des Ballsaals zurückgezogen.
    Sobald er gegangen ist, eilt Alexandrine an ihre Seite und fragt atemlos: »Hast du gesehen, wie ich getanzt habe, Grandmaman?«
    Â»Ja«, sagt sie und fügt scherzend hinzu: »Du warst schrecklich ungeschickt.«
    Â»Das stimmt nicht«, sagt Alexandrine. »Alle fanden mich gut.«
    Â»Alle oder nur eine bestimmte Person?«, fragt Katharina neckend. »Und was hat diese Person zu dir gesagt, außer dass sie dein Tanzen gelobt hat?«
    Â»Dass ich eine sehr melodiöse Stimme habe. Dass ich die Schönste unter all den jungen Frauen bin …« Alexandrine plappert immer weiter vor Seligkeit. Was für ein Vergnügen, sie so voller Fröhlichkeit zu erleben. In den vergangenen Tagen war auch nicht mehr die Rede von der Segensreichen Xenia und anderen Märtyrern oder Bräuten Christi. Wäre da nicht die Sache mit Bolik, dann wäre ihr Glück vollkommen.
    Â»Wie ich dich darum beneide, dass du bald Stockholm sehen wirst«, sagt sie zu Alexandrine. »Es soll eine sehr hübsche Stadt sein.«
    Â»Aber Grandmaman«, protestiert Alexandrine. »Der König hat nichts von einer Einladung gesagt.«
    Was für hübsche Zähne dieses Kind hat, klein und ebenmäßig. Wie lauter Perlen. Auf der Prinzessin ruht ein Segen, und sie wird – das weiß Katharina – sehr glücklich sein. Wird ein langes, friedvolles Leben haben. Sie sieht Alexandrine schon, von Kindern umgeben, neben einem Ehemann, der sie anbetet. Das Bild ist so eindrücklich, dass sie die Augen schließt.
    Â»Geht es dir nicht gut, Grandmaman?«, fragt das Kind besorgt.
    Â»Doch, Liebes. Ich bin heute Abend sogar sehr glücklich«, antwortet sie und greift nach der Hand ihrer Enkelin. Die kleine, wohlgeformte Hand einer jungen Frau, eine Hand, um die bald jemand bitten wird.
    Le Noiraud ist von seinem Auftrag zurück und wartet darauf, zu ihr gelassen zu werden.
    Â»Nun geh«, sagt sie zu Alexandrine. »Du darfst deinen

Weitere Kostenlose Bücher