Die Zarin der Nacht
das scheint schon zu viel für ihre immer korpulentere Statur. »Sie kauft diese Marzipanschweine«, grummelt Wischka. »Stellt sie als Dekoration auf ihren Nachttisch. Und jedes Mal, wenn sie aufwacht, isst sie eins.«
Der Admiral wartet schon im Vorzimmer mit einer Schüssel mit seinem Meerwasser.
»Erhol dich ein bisschen«, sagt sie zu Anjetschka, »und vorher schick ihn herein.«
Admiral Lambro-Cazzoni tritt ein, fragt, wie sie geschlafen hat, stellt die Schüssel auf die Handtücher, die Anjetschka ausgebreitet hat, und beginnt dann, Meerwasser über ihr offenes Bein zu gieÃen. Einen Becher nach dem anderen.
Ihre FüÃe sehen schrecklich aus. Die Zehennägel sind dick und gelblich; die Haut ist fahl und voller eiternder Wunden. Trotz der Versprechungen des Admirals haben die Meerwasserbäder das Bluten nicht stoppen können.
Das kalte Wasser bringt ihr zwar eine gewisse Erleichterung, sie hält aber nur kurz an. Sobald kein Wasser mehr flieÃt, ist der Schmerz wieder da.
Inzwischen kennt der Admiral die kaiserlichen Gewohnheiten. Er versucht nicht, länger als notwendig zu bleiben oder sie in ein Gespräch zu verwickeln. Er hat bis jetzt auch noch keine Gunst von ihr erbeten. Vielleicht erlaubt sie ihm deshalb, sie noch weiter zu behandeln, auch wenn sie allmählich den Glauben an seine Heilmethode verliert.
Die widerborstigen Haare des Admirals sehen aus wie ein Vogelnest. Seine Stirn ist voller Falten, in den Augenwinkeln sitzen KrähenfüÃe. Doch trotz alledem hat der alte Mann etwas Fröhliches an sich. Und er gibt sich solche Mühe, ihr zu helfen.
»Ein türkischer Pascha sagt zu seinem Arzt: âºEs tut mir weh, wenn ich meinen Fuà drücke. Und wenn ich meinen Arm drücke. Und wenn ich meine Rippen drücke. Sagen Sie mir, was mit mir nicht stimmt.â¹ Also untersucht der Arzt den Pascha lang und gründlich und sagt schlieÃlich: âºHoheit haben den königlichen Finger gebrochen!â¹Â«
Sobald sie in Lachen ausbricht, steht der Admiral auf, nimmt sein Porzellanbecken und geht. Anjetschka, die sich nicht von der Stelle gerührt hat, lässt die Mägde schon die Handtücher wegnehmen.
Die hölzerne Schneiderpuppe, die man Katharina am Morgen aus der kaiserlichen Garderobe zur Begutachtung geschickt hat, trägt ein lose fallendes Satingewand, dessen Bordüre mit goldenen Eichenblättern und Eicheln bestickt ist. Der grüne Stoff und der rote Besatz haben die Preobraschenski-Farben, in Erinnerung an ihre eigene schneidige Uniform aus den Tagen des Staatsstreichs.
Auch die Nachfolge-Uniform passt ihr schon lange nicht mehr, aber Wischka hat ihr versichert, sie werde sorgfältig aufbewahrt, liege, mit Pfeffer bestreut, in einer Zedernholzkiste. Und wartet zweifellos auf einen gloriosen Auftritt.
In der Kunstkammer vielleicht? Neben dem ausgestopften Pferd von Peter dem GroÃen?
Das polierte hölzerne Gesicht der Schneiderpuppe hat keine Augen, keine Lippen und keine Ohren. Irgendwie wirkt es beunruhigend, erinnert hartnäckig an Kummer.
»Ist es recht so?«, fragt Anjetschka, nachdem sie berichtet hat, dass die kaiserlichen Näherinnen in gröÃter Eile an den Vorbereitungen sitzen. »Die GroÃfürstin wird über die herrlichste Garderobe verfügen.«
Das Wort, das sie meint, ist eigentlich Aussteuer, aber Anjetschka, deren Augen schon bei der bloÃen Erwähnung von Alexandrine vor Freude funkeln, will nicht das Schicksal herausfordern.
»Es ist sehr gut so«, sagt Katharina.
*
Platons Ãffchen zittert in seinen Armen. Ein frecher kleiner Gesell, der mit Vergnügen nach den Perücken der Höflinge schnappt und sie auf den Boden wirft. Oder die Hand kneift, die ihn streicheln möchte. Wischka schwört, das kleine Biest mache sein Geschäft mit Vorliebe auf den Boden und rühre dann mit den Fingern darin herum.
DrauÃen vor ihrem Taurischen Fenster quaken Frösche. Sie sollte Sotow anweisen, sie in ihrem Rollsessel in den Park zu bringen. Ein bisschen frische Luft würde ihr guttun.
Le Noiraud setzt das Ãffchen auf einen Sessel und macht es an der Leine fest. Das Tier lässt sich augenblicklich resigniert nieder und rollt sich zum Schlafen ein.
»Hier«, sagt Le Noiraud und zieht einen Bogen Pergamentpapier aus seiner Brusttasche, dessen Ecken leicht gebogen sind.
Ein gewisser Oberst Uspenski hat an diesem Morgen darum
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