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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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gewartet und bitte darum, vorgelassen zu werden. Behaupte, sie habe sehr, sehr wichtige Neuigkeiten.
    Â»Ich sage immer wieder nein, Majestät, aber sie bleibt beharrlich«, erklärt Anjetschka und faltet ihre plumpen Hände in einer flehenden Geste. Hat sie sich gerade wieder kräftig bestechen lassen?
    Â»Also gut«, sagt Katharina. »Ich werde sie empfangen, aber sag ihr, ich habe wenig Zeit.«
    Â 
    Ein schwacher Geruch nach Terpentin umweht Madame Lebrun, trotz einer reichlichen Dosis Sandelholz.
    Â»Kaiserliche Hoheit! Wieder einmal sind Sie außerordentlich großzügig zu mir gewesen!« Madame Lebrun knickst, beugt sich vor, um die kaiserliche Hand zu küssen, und plappert dann noch etwas von engelhafter Süße. Sie ist noch nicht im Taurischen Palast gewesen und wirft nun gierige Blicke auf die Gemälde an den Wänden.
    Engelhafte Süße hin oder her, um sicherzugehen, dass ihre Ungeduld bemerkt worden ist, räuspert Katharina sich.
    Madame Lebrun versteht den Hinweis. Großfürstin Maria Fjodorowna, hebt sie an, habe ihr erlaubt, ein weiteres Bild der Großfürstin Alexandrine in Angriff zu nehmen. »Dieses Mal, Majestät, male ich die Großfürstin alleine. In einem Musselinkleid. Das ist noch ein Geheimnis. Ein kostbares Geschenk für ihren Vater.«
    Â»Wenn es ein Geheimnis sein soll«, bemerkt Katharina stichelnd zu ihrer unwillkommenen Besucherin, »ist es da denn klug, mir davon zu erzählen?«
    Madame Lebrun protestiert und faltet die Hände wie ein Eichhörnchen, das um Nüsse bettelt. Geheimhaltung habe noch nie, nie, niemals die Kaiserin von Russland mit einbezogen. Und jetzt sei das Porträt, obwohl noch gar nicht beendet, zum Mittelpunkt eines unerwarteten, aber erstaunlichen Vorfalls geworden.
    Â»Was für eines Vorfalls?«
    Â»Es geht um den schwedischen König, Majestät«, sprudelt
Madame hervor. Ein schwacher Sonnenstrahl spielt mit den Perlen in ihrem Haar. »Einen jungen Mann von unvergleichlichem Charme, wenn ich das sagen darf. Und von so unglaublicher Anmut.« Dieser wunderbare junge Monarch habe gestern seinen täglichen Spaziergang unterbrochen und sei in ihr Atelier gekommen. Welches er für beispiellos bezaubernd gehalten habe.
    Â»Ach ja?«, sagt Katharina fragend und weiß, dass ihre Stimme Interesse verrät und Madame Lebrun das nach Kräften ausnutzen wird.
    Â»Ja, in der Tat, Majestät. Ein höchst bemerkenswerter junger Mann. Äußerst kunstinteressiert.«
    Stoisch hört Katharina sich nun an, wie der schwedische Monarch Madames Talent gepriesen hat. Wie Madame ihn in allen Einzelheiten über das berühmte Krönungsporträt seines Vaters befragt hat, das sie selbst leider nie habe bewundern können. Und wie der charmante junge König Madame persönlich nach Stockholm eingeladen hat, damit sie dieses erstaunliche Werk reiner Inspiration sehen könne. »Majestät wird sicherlich davon gehört haben.«
    Endlich gelangt die Geschichte an ihr beabsichtigtes Ziel.
    Â»Der König bat darum, zu sehen, woran ich gerade arbeite, Majestät. Und das konnte ich natürlich nicht ablehnen. Ach, ich wünschte, Majestät hätten sehen können, wie hingerissen er das göttliche Antlitz eurer Enkelin betrachtete.«
    Ist das alles?
    Es ist nicht alles. Madame Lebrun versteht es, den ihr vergönnten Augenblick in die Länge zu ziehen. Mit glühenden Wangen gestattet sie sich das Vergnügen, die Szene haargenau so zu schildern, wie sie stattfand. Der König ist in Schwarz gekleidet, sein langes Haar fällt weich auf seine Schultern. Das samtene Barett hält er in den Händen. Er hebt die Hand, sie ist auf dem Weg zu seinem Herzen, da fällt das Barett auf den Boden. Und dann die Worte: »Sie hat mein Herz erobert. Ich
kann Russland erst verlassen, wenn ich sicher weiß, dass sie meine Frau wird.«
    Welch eine Freude, einen Wunsch erfüllt, sorgfältig geschmiedete Pläne zum Erfolg gebracht zu sehen. Schluss mit der melancholischen Grübelei ihres entzückenden Mädchens, ab jetzt gibt es für Alexandrine nur noch die Freuden einer guten Ehe. Und für Russland die lang ersehnte Allianz. Schweden wird in den Schoß Russlands zurückkehren.
    In einem Moment wie diesem ist selbst Madames Unterwürfigkeit zu ertragen.
    Â 
    Als Madame Lebrun endlich geht, nimmt Katharina eine Feder zur Hand

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