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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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und lässt das Tintenfass aufschnappen. Oben auf die Seite schreibt sie: Zwei Hauptbedingungen, die erfüllt sein müssen, bevor die Verlobung von Alexandrine und Gustav Adolf stattfinden kann.
    Dann nimmt sie ein Lineal, zieht einen geraden Strich darunter und achtet darauf, dass der Strich exakt an den Rändern endet. Dann fährt sie fort:
    Â 
    Vollständiger Abbruch der Verbindung zur Prinzessin von Mecklenburg.
    â€ƒ Schriftliche Versicherung, dass Alexandrine alles erhält, was sie zur Ausübung ihres orthodoxen Glaubens benötigt.
    Â 
    Beide Bedingungen hält sie eigentlich für selbstverständlich, aber in wichtigen Angelegenheiten ist es nie verkehrt, direkt zu sein. Eine neue Bindung ist nicht möglich, solange die alte nicht aufgelöst ist. Und eine russische Großfürstin ist keine unbedeutende kleine preußische Prinzessin, die einen Kaiser heiratet. Die Religion ist ihre Verbindung zu Russland, eine Verbindung, die es zu fördern und zu unterstützen, nicht zu unterbinden gilt.
    Sie klingelt nach ihrem Sekretär. Gribowski erscheint so
fort, in seiner üblichen grauen Kombination, die ihm allmählich zu eng wird. Wie Anjetschka kann er den Leckereien des Palasts nicht widerstehen.
    Sie befiehlt Gribowski, die zwei Punkte in einem Passus zusammenzufassen, mit reichlich Platz für die Unterschrift des Königs.
    *
    Der August ist fast vorüber.
    Mit Bedauern entschließt Katharina sich, in den Winterpalast und zu dem Berg von Papieren zurückzukehren, der dort auf sie wartet. Nur für ein paar Tage, sagt sie sich und weiß, dass das nicht stimmt. Wenn sie nicht mit Regierungsangelegenheiten beschäftigt sein wird, dann muss sie sich um die Vorbereitungen der Verlobung kümmern. Schon bald wird man sie mit Entscheidungen bedrängen. Reicht der Sankt-Georg-Saal? Wie soll dekoriert werden? In welchen Farben? Die Hof-Garderobiere bittet bereits um eine Audienz. Sotow hat erwähnt, dass die Pfauenuhr stottert, wenn die Eule erscheint. Wird die Zeit reichen, um den ganzen Mechanismus auszubauen und zu reinigen?
    Als könnte nichts ohne sie entschieden werden.
    Doch Alexandrine ist erleichtert, wieder im Winterpalast zu sein. Bolik ist immer noch verschwunden, obwohl man ihn ständig irgendwo sieht. Vielleicht – aber man sollte nicht zu zynisch sein –, weil jede Sichtung eine Belohnung bedeutet. Alexandrines Zofen müssen angewiesen werden, Jasminblüten in ihre Unterkleider zu heften. Das wird das Kind in einen zauberhaft wohlriechenden Duft hüllen, sehr viel feiner als Parfüm.
    Â»Was denkst du, Pani?«
    Pani wedelt zustimmend mit dem Schwanz. Ortswechsel machen ihr nichts aus. Sobald ihr grünes Samtkissen auf dem Boden liegt, lässt sie sich mit gewohnter Freude darauf nieder.
Und sobald Besborodko ihr seine fettigen Morgengaben überreicht, ist die Hundewelt in Ordnung.
    Â 
    Nun, da Alexandrines Verlobung kurz vor ihrem Abschluss steht, ist die Frage der Nachfolge von größter Dringlichkeit. Katharina hat die Angelegenheit lange genug aufgeschoben. Sie hatte zu viele andere Dinge im Kopf. Und – auch das gibt sie gern zu – sie fürchtet all die Widrigkeiten, die das Ganze mit sich bringt.
    Aber es hat keinen Sinn, ihre Entscheidung geheim zu halten. Nun nicht mehr.
    Die öffentliche Bekanntgabe wird die Luft reinigen. Alexander muss sich an den Gedanken gewöhnen, den Platz seines Vaters einzunehmen. Muss an Kronratssitzungen teilnehmen, beobachten und lernen.
    Wann?
    Den ganzen September über wird man mit der Verlobung beschäftigt sein. Und im Oktober mit Alexandrines Aufbruch nach Schweden.
    Â»November?«, schlägt Graf Besborodko vor. »Am Namenstag des Großfürsten?«
    Das, beschließt sie, ist eine exzellente Idee.
    Â 
    Mit ihrem Bein wird es schlimmer. Am Ende eines Tages ist es jetzt immer eine Art Phantomglied, nicht zu gebrauchen, aber trotzdem gequält von Wellen pochenden Schmerzes. Die offenen Wunden zwischen ihren Zehen sondern blutigen Eiter ab. Ein stechender Schmerz wandert vom Schienbein bis hoch in die Hüfte.
    Das wird sie aber nicht zugeben, noch nicht. Von Anjetschka hört sie, dass Rogerson überall herumerzählt, Lambro-Cazzoni sei ein gefährlicher Quacksalber, der den Verstand Ihrer Majestät verhext habe. Als würde er ihr Tränen von Johannes dem Täufer verkaufen! Der alberne Rogerson mit seinen

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