Die Zarin der Nacht
klingeln in ihren Ohren, ein ganzer ferner Chor.
»Es geschah auf Platon Alexandrowitschs Drängen hin«, hört sie Morkow sagen. »Um unnötiges Gezerre zu vermeiden, sagte er. Er versicherte uns, Hoheit seien damit einverstanden. Erst als Graf Saltykow bemerkte, dass der Passus fehlte â¦Â«
Ihr Herz flattert wie ein in die Enge getriebenes Tier. Sie würde sich am liebsten die robe ronde und das Mieder vom Leib reiÃen, sich aus dem Gestänge, dem Unterkleid befreien. Morkows Worte werden lauter und wieder leiser. »Platon Alexandrowitsch befahl ⦠Platon Alexandrowitsch verlangte â¦Â« Mit dem sechsten Sinn des Höflings hat er längst das wahre Ausmaà ihres Zorns erfasst und hält Ausschau auf Beute. Ein Höfling ist gestürzt, ein anderer kann aufsteigen. Je unerwarteter solch ein Fall, umso süÃer.
Es knistert in ihrem Kopf, ein Gedanke leuchtet auf wie ein
heller Blitz, sie hat wieder die Kontrolle. Sie hat einen Fehler gemacht. Nicht den ersten und nicht den letzten. Einen Fehler, den sie, so gut es geht, wieder korrigieren muss.
Ihr Herz beruhigt sich. Sie scheint jetzt einen gefassteren Eindruck zu machen, denn in Morkows Augen sieht sie die wachsende Enttäuschung. Worauf auch immer er sich Hoffnung gemacht hat, er sieht es offenbar entschwinden.
»Schreiben Sie, was ich Ihnen sage«, befiehlt sie und diktiert Morkow einen kurzen Paragraphen mit einer Willenserklärung. Ich ⦠Gustavus Adolfus ⦠verspreche ausdrücklich ⦠Zusicherung an meine zukünftige Frau ⦠die vollständige Freiheit der Religionsausübung â¦
»Begeben Sie sich wieder zum König«, befiehlt sie dem Grafen. »Bringen Sie ihn dazu, das hier vorläufig zu unterschreiben. Sagen Sie ihm, wir arbeiten den genauen Wortlaut des Vertrags nach der Verlobung aus.«
Das ist ein Kompromiss. Sie ist nicht glücklich damit, aber sie hat keine andere Wahl. Le Noiraud hat sich töricht verhalten, um das Mindeste zu sagen, aber sie ist auch wütend auf den schwedischen König. Ein kleiner Welpe, der seine Milchzähne fletscht. Sie hat ihre Wünsche doch deutlich genug zum Ausdruck gebracht, oder etwa nicht? Wogegen erhebt er in Wirklichkeit Einspruch? Glaubt er etwa, sie mit seinem Schmollen in die Enge treiben zu können?
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Im Vorzimmer fordert Maria Fjodorowna Alexandrine auf, sich gerade zu halten. Reichlich spät für mütterliche Ermahnungen, aber Katharinas Schwiegertochter ist seit jeher ein wenig langsam.
Alle drängen jetzt ins Zimmer. Die Enkelinnen und ihre Mutter. Ein erwartungsvolles, aufgeregtes Häufchen.
Alexandrine schillert in einem weiÃen Satinkleid, bestickt mit silbernen Schmetterlingen, die Blütenzweige umflattern. Ein Musselintuch bedeckt einen Teil ihres Nackens. Wenn der
September zu Ende geht, wird sie auf dem Weg nach Stockholm sein.
»Grandmaman!«, ruft das Kind und schlingt die Arme um ihren Hals.
»Lass mich dich anschauen«, sagt Katharina.
Alexandrine lässt die Arme sinken und dreht sich, um ihr vorzuführen, wie wunderschön ihr Kleid fällt. »Kinn hoch«, flüstert Jelena, und ihre Schwester gehorcht.
»WeiÃt du noch, was du nach dem Segen tun musst, Alexandrine?«, fragt Maria Fjodorowna. »Denkst du daran, dass du bis sechs zählst, ehe du den nächsten Schritt tust?« Sie haben den ganzen Morgen lang die Abfolge der Zeremonie geübt, aber das Ãben ist eine Sache, sich an alles zu erinnern, wenn der ganze Hof zuschaut, eine andere.
Alexandrine verdreht die Augen und lächelt. Natürlich weià sie es. Wenige Tage nur sind vergangen, und das Kind ist erwachsen geworden.
Direkt nach der Verlobung wird es einen offiziellen Segen vor der heiligen Ikone der Jungfrau von Kasan geben, aber jetzt ist noch Zeit für ein paar private Momente. Zuallererst verkündet sie, die Kaiserin, den Wunsch, ihre Enkelin mit einem angemessenen Schmuck zu beschenken.
Ein Page bringt den Schmuck auf einem dicken Samtkissen. Eine Amethystkette, dazu passende Ohrringe und eine Spange für Alexandrines Haar, das der Coiffeur locker hochgesteckt hat, mit einzelnen goldenen Locken, die ihr in den Nacken fallen.
Sie legt ihrer Enkelin die Kette um den Hals. Die Steine sind von ebenmäÃigster Purpurfarbe, in WeiÃgold gefasst und von Diamanten gerahmt. Ihre Hände scheinen leicht zu zittern, denn sie hat
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