Die Zarin der Nacht
der Regent ⦠hinterhältig ⦠verbohrt. Unverschämt ⦠frech ⦠ungeachtet all dessen, was ich getan habe ⦠ungeachtet all dessen, was man mich glauben machte â¦Â«
Auf ihrem Bett sitzend, gestützt von zwei dicken Kissen, hört sie zu und wartet.
Er versucht immer noch, den Schaden zu begrenzen. Weder das Eingeständnis von Scheitern gehört zu Le Noirauds Strategie noch das Einräumen von Fahrlässigkeit oder blanker dämlicher Dummheit. Seine Augen sind fest auf sie gerichtet, suchen nach Zeichen dafür, was sie jetzt wohl hören möchte.
Es ist gut, wenn man eine neutrale Miene zu machen versteht.
Da er keine Hinweise findet, entschlieÃt Le Noiraud sich für Hohn und Spott. Er nennt Gustav Adolf ein kleines Wiesel und einen Bastard. Unseligerweise kommt er ihr mit der schmutzigen Geschichte seiner Empfängnis. Mit dem Klatsch über eine Möchtegernmutter, die auf ihrem Hochzeitslager von Baron Munck bestiegen wird, der seinerseits vom schwedischen König bestiegen wird. Wieso? Weil der groÃe Gu es nicht über sich brachte, eine Frau anzurühren.
»Das ist alles wahr.« Le Noirauds Stimme schwillt an. »So
gar in Schweden wissen alle, dass der kleine König ein Bastard ist.«
»Schweig!«
Ihr Schrei lässt ihn aufspringen. Sein Gesicht ist bleich.
»Du wagst er herzukommen und mir zu erzählen, es sei nicht dein Fehler!«
Ihre Stimme kommt tief aus dem Bauch und ist jetzt leise und schonungslos, wie ein Schlag mit dem Hammer, der das Vieh betäubt, ehe ihm die Kehle durchgeschnitten wird.
»Ich habe dich gefördert, dich mit Ehren überhäuft. Und du machst mich und Russland zum Gespött ganz Europas!«
Le Noiraud fährt zusammen, kann noch nicht glauben, dass er zurechtgewiesen worden ist. Er ist wie ein Fisch, den man aus dem Wasser gezogen hat. Der um sich schlägt und hofft, eine seiner zuckenden Bewegungen werde ihn retten. Er sinkt auf den Boden. Sein Kinn zittert wie bei einem Kind, das gleich losweint. Seine Augen sind schreckgeweitet.
»Was hat man über mich erzählt?«, jammert er. »War es Morkow? Oder Besborodko? Sie doch sind nur eifersüchtig.«
»Auf dich ?«
»Sie kritisieren mich, weil ich es wage, dich zu lieben. Sie haben schon immer versucht, dich gegen mich einzunehmen, Katinka. Aber das lasse ich nicht zu. Du bist alles, was ich habe. Du bist alles, was mir wichtig ist.«
Wird er sich dir zu FüÃen werfen?, hört sie Grischenkas spöttische Stimme. Was denkt er, wirst du sonst noch alles ertragen?
»Korrigier mich, Katinka«, fleht Platon. »Sei meine Lehrerin. Du bist die Einzige, der daran liegt, dass ich besser werde. Ohne dich bin ich Staub.«
Ein Jagdhund tötet in der Hitze der Verfolgung. Ein Jagdhund bellt nicht, weil er sonst die verstohlene Bewegung im Gebüsch nicht hört. Ein Jagdhund verfolgt das Kaninchen stumm, ahnt seine heimlichen Haken im Voraus. Seine Belohnung sind
das Zermalmen zarter Knochen, der Geschmack von Blut, das noch warm ist, von Muskeln und Fell. Der Hund verschlingt alles.
»Dein Geburtstag ist in zwei Wochen. Wie alt wirst du dann?«
»Neunundzwanzig«, stammelt Le Noiraud.
»Von Suworow höre ich, dass Bonaparte seine Armee in Italien in die Berge führt. Seine Truppen aufteilt, worauf die Ãsterreicher ihre Truppen ebenfalls aufteilen. Dann zieht er sie wieder zusammen und schlägt den Feind an seinen schwächsten Stellen. Der Mann ist nicht aufzuhalten.«
Le Noiraud ist irritiert, aber er wagt nicht zu fragen, was sie damit meint.
»Bonaparte«, erklärt sie ihm, und ihre Stimme ist kalt und schneidend wie der Nordwind, »ist erst siebenundzwanzig Jahre alt.«
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Die Zofen kehren zurück, um sie auszuziehen und ihr das falsche Haarteil sowie den Schmuck abzunehmen.
Wieso habe ich es nicht früher gesehen? Das gerade Geschehene ist ihr immer noch ebenso unbegreiflich wie dessen Folgen: Die Kaiserin des russischen Reichs wurde von einem kleinen schwedischen König brüskiert.
Die Frauen arbeiten schnell und schweigsam. Man hatte Katharina mit Haarnadeln und Stecknadeln traktiert und in den Panzer des Hofgewands gesperrt, und es dauert einige Zeit, bis ihr Körper aus der Schale befreit ist. Die schwarze Perlenkette wird aufgehakt. Tiegel und Fläschchen werden geöffnet und geschlossen. Creme entfernt die
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