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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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sauber, hat Warwara ihr versichert.
    Warwara hat sie einen Brief an Maman anvertraut. Wenn Du diese Worte liest, bin ich nicht mehr am Leben. Bitten um Vergebung für alles Unrecht. Verfügungen über ein paar Schmuckstücke, die sie besitzt.
    Von der anderen Seite der dünnen Wand sind gedämpfte Stimmen zu hören. Gemurmelte Gebete, Fragen, die beantwortet oder ignoriert werden, Bekundungen des Staunens oder milden Entsetzens. Die Kaiserin mit den Damen ihres Hofstaats ist dort, Elisabeth von Russland, die noch im Zweifel ist, ob sie ein gutes oder ein schlechtes Geschäft gemacht hat, als sie die Prinzessin von Anhalt-Zerbst mit ihrem Neffen verheiratet hat.
    Â 
    Ihr riesiger Bauch ist eine schwere Last. Das Kind tritt gegen ihren Magen. Manchmal drückt oder schlägt ein Füßchen oder ein Ellbogen so heftig, dass sich die Haut an der Stelle ausbeult.
    Â»Das hohe Kind will auf die Welt, Hoheit«, murmelt die Hebamme, als Katharina aufstöhnt vor Schmerz. Mit ihrer Hilfe lässt sie sich auf der Matratze nieder, lehnt sich gegen die Kissen, die ihren Rücken stützen.
    Sie atmet tief durch. Und dann noch einmal, obwohl sie gehört hat, dass die Dünste, die von den Kanälen der Stadt aufsteigen, nicht gut sind für die Lunge.
    Dieses lang ersehnte Kind. Das Kind, das sie der Kaiserin schuldet. Ein Sohn, betet sie, bitte, lass es ein Sohn sein .
    Sie hat ihren Geliebten seit vier Wochen nicht mehr gesehen. Sie hat auch keinen Brief von ihm bekommen, aber das überrascht sie nicht. Sergej Saltykow ist kein großer Briefeschreiber. Trotzdem, auf irgendein Zeichen von ihm hatte sie ge
hofft – Blumen, ein Buch, etwas wie das bunte Band, das selbst das ärmste Bauernmädchen bekommt, wenn es mit seinem Schatz auf den Jahrmarkt geht. Es ist schließlich sein Kind. Es ist sein Kind, das sie vielleicht das Leben kosten wird.
    Ihr ganzer Körper sehnt sich nach den Zärtlichkeiten, die sie vergessen lassen, wie es sich anfühlt, wenn ihr Mann sie anfasst. Seine feuchtkalten Finger, sein Schnaufen, sein Geruch nach Schweiß und Schnaps. Sie ruft sich Sergejs Stimme in Erinnerung. »Du bist anders als alle Frauen, die ich je gekannt habe.« Und verdrängt Warwaras warnende Worte: »Ein Schürzenjäger. Ein Verführer. Nehmen Sie, was er zu geben hat: die Lust und das Kind. Und dann sehen Sie zu, dass Sie ihn loswerden.«
    Angst ist Gift. Sie kann einen Menschen umbringen. Ersticke sie, bevor sie sich ausbreiten kann.
    Â 
    In dieser Nacht wird der Schmerz zum Maß der Zeit. Die Hebamme prüft ihn mit kühlem Sachverstand, wie ein Kaufmann die Qualität von Waren prüft. Nicht übel. Besser. Sehr gut.
    Was denkt die Mutter über dieses Kind, das immer noch ein Teil von ihr ist? Neun Monate lang hat sie versucht, seinen Charakter zu erraten. Kräftige Tritte deuten auf einen starken Willen hin. Ein aufmerksames Kind. Wenn sie Angst hat, erstarrt es. Wenn sie glücklich ist, entspannt es sich. Wenn sie es vergisst, bewegt es sich und erinnert sie daran, dass sie nicht mehr allein ist.
    Es gibt so viele Unwägbarkeiten.
    Wenn es ein Junge ist, wünscht sie sich, dass er Sergej ähnelt, mit seinen wachen dunklen Augen und dem schlanken Wuchs, so elegant und ansehnlich. Und ihrem Vater. Intelligent und mit dem unbeirrten Schritt eines Soldatenprinzen.
    Wenn es ein Mädchen ist …
    Nein, es darf kein Mädchen sein. Sie weiß von ihren Spionen, dass die Kaiserin nicht nur eine mit Pelzen und Seide aus
gepolsterte Wiege besorgt hat, sondern auch eine Rassel mit einem Elfenbeingriff, die wie ein Schwert geformt ist. Und eine winzige Uniform, wie die Soldaten der Garde sie tragen. Grün mit roten Aufschlägen.
    Â»Alles ist bereit, das Küken muss nur noch ausschlüpfen«, sagt die Kaiserin und grinst. Warwara, die Katharina jeden Tag berichtet, was sich im innersten Zirkel der Macht tut, hat erzählt, dass Elisabeth darauf bestanden hat, selbst die Ammen auszuwählen. Junge Frauen vom Land, die vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht haben, machen ihre Busen frei, damit die Kaiserin sich davon überzeugen kann, dass sie ohne Makel sind. Sie kneift ihre Brustwarzen, um den Milchfluss zu prüfen. »Ich habe sie seit Monaten nicht so munter und ausgeglichen gesehen«, sagt Warwara.
    Â 
    Sie weiß es alles noch, als wäre es ihrem Körper eingeschrieben. Der folternde Schmerz, als das

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