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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Subow meldet sich zu Wort. Er ist nicht nur Offizier der kaiserlichen Garde, verkündet er, sondern auch ein berühmter Zauberkünstler.
    Alexandrine und Jelena sehen ihm zu, wie er ein rotes Tüchlein, das er aus seiner Brusttasche gezogen hat, umständlich in seine Faust stopft. »Simsalabim«, sagt er dann, öffnet die Faust und zeigt seine leere Hand vor.
    Jelena schnappt entzückt nach Luft.
    Jetzt scharen sich auch die anderen um ihn. Maria lässt ihr Kindermädchen stehen, läuft zu Alexandrine und hält sie bei der Hand. Konstantin beugt sich vor, damit er besser sehen kann. Das Zaubertüchlein taucht in der Folge an allen möglichen unvermuteten Stellen auf, hinter Marias Ohr, in Alexandrines Haar, in einer Falte von Jelenas Kleid, und versetzt jedes Mal das Publikum in staunende Begeisterung.
    Sogar Alexander hat sich dazugesellt und steht neben seinem Bruder.
    Das Tüchlein wird beiseitegelegt. Der Hauptmann lässt Jelena aus einem Päckchen Karten eine auswählen. Sie entscheidet sich für die Pik-Dame. Der Hauptmann mischt, dann deckt er eine Karte auf, und tatsächlich: Es ist die Pik-Dame.
    Â»Jetzt Karo«, sagt Maria. Konstantin verdreht die Augen, aber er unterbricht Alexandrine nicht, als sie ihrer kleinen
Schwester erklärt, dass sie nicht nur die Farbe bestimmen muss, sondern außerdem auch noch den Wert.
    Â»Wie alt bist du?«, fragt Alexandrine, und Maria streckt drei Finger hoch.
    Â»Also dann die Karo Drei«, sagt Alexandrine zum Hauptmann, der mit flinken Fingern die Karten mischt, dann kurz innehält, um die Spannung zu steigern, bevor er für jeden Buchstaben von Marias Namen eine Karte zieht. Und als er beim zweiten »a« angelangt ist, dreht er die Karte um, und es ist die Karo Drei.
    Auch die Kaiserin stimmt in den Applaus ein. Aber die Vorstellung ist noch nicht zu Ende.
    Â»Da!«, schreit Konstantin.
    Eine der Karten erhebt sich in die Luft, schwebt über dem Stapel, als wäre sie noch unentschieden, welche Richtung sie einschlagen soll. Hauptmann Subow runzelt die Stirn, aber dann setzt sich die Karte wieder in Bewegung, und er lächelt zufrieden, denn es zeigt sich, dass die Karte zur Kaiserin will.
    Sie streckt die Hand danach aus, aber bevor sie die Karte fassen kann, schnappt der Zauberkünstler sie in der Luft und lässt sie mit flitzenden Bewegungen zwischen seinen beiden Händen hin und her Saltos schlagen.
    Die Kinder sind hingerissen. Maria steht der Mund offen. Alexandrine und Jelena applaudieren. Konstantin möchte die Karte genau untersuchen. »Wie macht er das?«, fragt er Alexander, der nur mit den Achseln zuckt.
    Fasziniert greift die Kaiserin wieder nach der Karte, und Hauptmann Subow legt sie auf ihre Handfläche. Seine schwarzen Augen mit den dichten Wimpern funkeln heiter. Seine glatte Haut hat einen hübschen olivfarbenen Ton. Ein dunkler Schatten auf seiner Oberlippe deutet an, wo der Schnurrbart wäre, wenn er ihn wachsen ließe.
    Die Karte, die auf ihrer Handfläche liegt, schwebt empor.
    Sie lacht verblüfft. Die Karte sinkt in ihre Hand, aber als
die Kaiserin sie mit dem Finger berühren will, hüpft sie wieder hoch. Hauptmann Subow fängt sie in der Luft und legt sie wieder auf den Stapel. Mit einer Geste demütiger Ergebung weist er seine leeren Hände vor. Es steht dem verehrten Publikum frei, ihn zu untersuchen, sagt er, allerdings möchte er nicht verschweigen, dass er schrecklich kitzlig ist. Wie zum Beweis schüttelt er sich wie ein nasser Hund.
    Maria kichert.
    Konstantin hängt sich an den Hauptmann wie eine Klette und überschüttet ihn mit Fragen. Wie alt war er, als er zum ersten Mal auf einem Pferd saß? Kann er bis in die Krone eines Baums klettern? Kann er über die Newa schwimmen?
    Platon Alexandrowitsch Subow, denkt sie. Einer mit so einem langen, bedeutungsschweren Namen kann sie wieder zum Lachen bringen. Schwarzes Haar, schwarze Augen. Und da weiß sie plötzlich, wie sie ihn nennen wird: Le Noiraud.
    Â»Verraten Sie mir, wie Sie es gemacht haben?« Konstantins Stimme überschlägt sich fast vor Erwartung.
    Le Noiraud beugt sich zu ihm hinunter und flüstert ihm – laut genug, dass sie es verstehen kann – ins Ohr: »Nur ein Mensch auf der Welt kann mich dazu bewegen, mein Geheimnis preiszugeben.«
    Da passiert es: Der Klapptisch wackelt heftig, die Pyramide der rosa Papiertütchen kommt

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