Die Zarin (German Edition)
Kopf. »Ich bleibe, Blumentrost. Jemand muß doch seine Hand halten bei diesen schrecklichen Dingen!«
Apraxin jedoch verneigte sich: »Eine wahre Kaiserin! Meine Empfehlung, Zariza – erlaubt, daß ich mich um die Feiern zum Jahreswechsel kümmere, wie seine Majestät es mir befohlen hat.« Ich nickte und entließ ihn mit einem Winken meiner Hand. Blumentrost schlug Peters Bettdecke zurück. Ich unterdrückte einen Schrei. Ekel stieg in mir auf: Sein Bauch war aufgequollen, und die Haut daran schwarz vor Fäule. Als Blumentrost leicht in die weiche, heiße Haut drückte, schrie Peter in seinem Fieberschlaf vor Schmerz auf. Um seine Leisten bildeten sich weitere Geschwülste. »Nierensteine, Euer Maje stät«, wisperte Blumentrost. »Ich werde gemeinsam mit Paulsen und Horn operieren müssen. Der Zar kann sich nicht mehr auf natürliche Art erleichtern, so müssen wir ihm noch einmal die Blase aufschneiden …«
Ich nickte wie betäubt: Der Anblick von Peters aufgeblähtem Leib und der Gestank der Krankheit ließen mich würgen. Ich sah Blumentrost die kleine Flasche mit dem starken Laudanum aus seiner Tasche holen. Meine Hände legten sich um Peters Kopf, hoben ihn an, und ich sagte leise: »Ich bin bereit.«
Blumentrost holte schweigend die kleine Flasche mit dem Quecksilber hervor.
Die Luft in dem Raum war unerträglich stickig. »Wie ist sein Zustand nun?« flüsterte Alekascha, als er durch einige Stunden Schlaf erfrischt wieder in das Zimmer schlüpfte. Was sollte ich sagen? Seit Wochen hatte sich sein Zustand nicht geändert. Unsere Augen hefteten sich auf den Kranken: auf Peter, unser Leben und unseren Tod, ganz wie er es wollte. Ich drehte mich zu Makarow, der in seinem schwarzen Rock wie geschrumpft wirkte. Er trat zu mir, und ich zog ihn nahe an das Fenster. »Makarow, Blumentrost tötet den Zaren noch«, flüsterte ich besorgt. »Sende nach Berlin! Der König von Preußen hat einen fabelhaften Leibarzt, von dem Peter oft gesprochen hat. Sein Name ist von Stahl. Bringe ihn hierher, koste es, was es wolle.«
Makarow entfernte sich aus dem Zimmer, um den Boten zu ordern. Es wurde Nacht.
Diener zogen die Vorhänge vor die Fenster und schlossen so Peters Stadt von seinem Leid aus. Sie steckten Kerzen an, und die Süße des Bienenwachses mischte sich in den eitrigen Gestank der Krankheit und in die Schwaden von Kampfer und dem persischen Rauchwerk, das in allen Ecken des Raumes schmorte. Die Schatten in den Ecken des Raumes wurden zu Menschen, die uns auf unserem Weg begleitet hatten. Menschen, die uns schon in den Tod vorangegangen waren. Peter in seinem Fieber erkannte sie zuerst. »Natalja, meine Schwester! Wein doch nicht …, Sophia, natürlich, wie könntest du mir Frieden lassen? Und Alexej, du Nichtsnutz …, geh weg.« Er stöhnte und wollte sich umdrehen, doch Blumentrost ließ das nicht zu. Peter kniff die Augen zusammen. »Scheremetjew! Da bist du ja. Eigentlich ist ja alles deine Schuld …«
Ich begann laut zu weinen und warf mich auf die Knie, um seine Worte aus meinem Geist zu vertreiben. Feofan Prokopowitsch betrat den Raum mit einem schlichten Popen.
Peter legte zum dritten Mal in jenen Tagen seine Beichte ab. Ich weinte so sehr, daß ich mehrere Male in Ohnmacht fiel. Als ich erwachte, war er zu schwach, um zu sprechen. Feofan Prokopowitsch, Alexander Danilowitsch und ich schlossen einen Kreis um das Bett. Peters Blick entglitt uns.
Die Glocken läuteten. Menschen strömten über den Kai und den Newski-Prospekt zum Gebet. Wofür beteten sie? Für Peters Tod, oder für seine Genesung? Er schlug einen Augenblick lang die Augen auf. Ich schluchzte auf.
»Du liebst mich, nicht wahr?« flüsterte er. Seine Lippen waren trocken und aufgesprungen.
Ich nickte. »Mehr als mein Leben!« mir liefen die Tränen in Strömen über das Gesicht.
Er seufzte. »Das solltest du auch …«
Ich legte ihm die Hand auf seinen Mund. »Sprich nicht, mein Liebster. Du mußt deine Kraft schonen.« Ich fiel wieder auf meine Knie, die schon wund waren. Als ich einen Augenblick den Kopf hob, fing ich den Blick auf, mit dem Blumentrost, Paulsen und Horn sich verständigten.
Peter hob seine Hand. Er flüsterte etwas. Feofan Prokopowitsch beugte sich nach vorne, um seine Worte zu verstehen.
»Was will der Zar?« fragte ich mit bebender Stimme. Der Bischof musterte mich mit unergründlicher Miene. »Er will Papier und Feder haben«, antwortete er leise.
Menschikow raschelte an dem Schreibtisch des Zaren
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