Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
Granock überkam der flüchtige Verdacht, Alannah könnte es sich anders überlegt und von dem Plan zurückgeschreckt sein, den sie in ihrer Verzweiflung gefasst hatten.
Als Rothgan jedoch ein Zucken durchlief und plötzlich etwas mit urtümlicher Wucht durch seinen Brustkorb brach, wusste Granock, dass Alannah Wort gehalten hatte.
Es war die Spitze einer Eislanze.
Während Granock Rothgan abgelenkt hatte, war die Elfin davongeschlichen und unbemerkt in seinen Rücken gelangt, und genau wie damals, als sie ihrer Gabe zum ersten Mal gewahr geworden war, hatte sie sie als Waffe eingesetzt.
Das Eis, das die Elfin geworfen hatte, schmolz augenblicklich, und es trat kein Blut aus, da die Hitze des Feuers die Gefäße sogleich wieder versiegelte. Aber die Wunde war geschlagen, und sie sorgte dafür, dass das Feuer auch ins Innere von Rothgans Körper drang.
Einen Atemzug lang schien die Zeit stillzustehen, dann hörte Granocks Zeitbann zu wirken auf - und erst jetzt schien sich Rothgan der furchtbaren Verletzung bewusst zu werden, die er erlitten hatte. Das Feuer, das er kraft seiner Gedanken hervorgerufen hatte, erlosch, und mit ungläubig geweiteten Augen sah er an sich herab und auf die Öffnung in seinem Brustkorb, aus der dunkler Rauch wölkte. Seine geschwärzten Züge verzerrten sich dabei vor Schmerz und Entsetzen.
»Was ... habt ihr ... getan ...?«
Er hob den Blick und starrte Granock fassungslos an. Dann kippte er nach vorn und brach zusammen. Alannah stand nur wenige Schritte hinter ihm, den flasfyn noch erhoben.
In ihrem Gesicht, das weiß war wie Schnee, spiegelte sich namenloser Schrecken, ihre Augen waren von Tränen gerötet. Granock konnte nur erahnen, was in ihr vorgehen musste. Gemeinsam waren sie in Shakara gewesen und hatten die Wege der Magie beschritten, gemeinsam hatten sie gegen die Feinde des Reiches gekämpft und so viele Gefahren überstanden - und nun hatte sie ihr reghas, ihre vom Schicksal verliehene Gabe dazu benutzt, den Mann zu töten, den sie von ganzem Herzen geliebt und für den sie sich einst entschieden hatte.
Granock empfand nicht eine Spur von Genugtuung, im Gegenteil. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er alles gegeben, um rückgängig zu machen, was seither geschehen war - selbst wenn es bedeutet hätte, Alannah an Aldur zu verlieren. Auch er war, das wusste er jetzt, ein selbstsüchtiger Narr gewesen, und dies war das Ergebnis.
Schaudernd blickte er auf Rothgan, der sich vor ihnen am Boden wand, von Brandwunden entstellt und schwer verwundet. Seine magische Kraft schien zusammen mit dem Dunkelfeuer verloschen zu sein. Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er leise Verwünschungen hervor, während er sich sterbend hin und her wälzte, und plötzlich entwand sich seiner Hand etwas, das wie eine große, glitzernde Glasscherbe aussah.
Der Splitter des Annun!
Rasch trat Granock vor und bückte sich, wollte das Artefakt an sich nehmen, das für Rothgans überirdische Kräfte verantwortlich gewesen war - doch die rußgeschwärzte Hand des Verwundeten zuckte vor und umklammerte den Splitter, als hinge sein Leben davon ab.
»Nein!«, zischte er und starrte Granock dabei aus blutunterlaufenen Augen an. »Du sollst ihn nicht bekommen! Nicht du ... unwürdiger ... verräterischer ...«
Granock hielt seinem vernichtenden Blick stand. Er biss die Zähne zusammen, entledigte sich aller Skrupel und riss dem Sterbenden den Kristallsplitter aus der Hand. Dann erhob er sich und humpelte, geschwächt wie er war, zu Alannah, die noch immer unbewegt stand und mit den Tränen rang.
»Aldur«, flüsterte sie, während sie auf das sich windende Bündel starrte, das einst ihr Geliebter gewesen war. »Wie konnte es nur so weit kommen ...?«
»Wir müssen verschwinden«, schärfte Granock ihr ein. »Fort von hier, so rasch wie möglich!«
»Aber - wir können ihn nicht hier liegen lassen! Er wird sterben ...«
»Ja«, sagte Granock nur.
»Aber ...« Sie verstummte, als durch den Korridor hektische Tritte und das Grunzen herannahender Orks heraufdrangen. Das Beben, das Rothgans Zaubermacht entfesselt hatte, war nicht unbemerkt geblieben. Oder vielleicht hatten die Unholde auch gewittert, dass ihr Anführer in Gefahr war. Alannah wusste, dass Granock Recht hatte. Sie mussten fliehen, wenn nicht alles vergeblich gewesen sein sollte ...
Sie sandte Rothgan einen Abschiedsblick, den dieser zu bemerken schien, denn er wälzte sich zu ihr herum und starrte sie aus seinen entstellten
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