Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
Fingerbreit vor seinem Gesicht stoppte. Einen endlos scheinenden Moment lang starrten Zauberer und Ork sich über ihre gekreuzten Waffen hinweg an. Farawyn sah sein Spiegelbild in den eitrig gelben Augen und roch den fauligen Atem des Unholds - und stieß ihn angewidert zurück.
Der Ork, ein grobschlächtiger Hüne, der Farawyn um zwei Köpfe überragte, war auf diesen Ausbruch roher Kraft nicht gefasst und geriet ins Taumeln. Mit zusammengebissenen Zähnen riss Farawyn sein Schwert aus dem Gürtel und stieß zu, rammte die Klinge tief ins dunkle Herz seines überraschten Gegners - was ihm um ein Haar zum Verhängnis wurde.
Denn noch während er dabei war, seine blutige Klinge aus dem Kadaver zu ziehen, erschien ein weiterer Unhold, ein furchterregendes Exemplar, in dessen langes, zu einem Schopf gebundenes Haar ein Elfenschädel eingeflochten war, der auf seinem hässlichen Haupt thronte.
»Dhruurz!«, brüllte der Unhold das orkische Wort für »Zauberer« und wollte zustoßen - als ein Schwall dunklen Blutes über seine wulstigen Lippen schoss. Er verdrehte die Augen und ging nieder. Hinter ihm tauchte die grinsende Miene eines kahlköpfigen, sehr viel schmächtigeren Orks auf, den Farawyn nur zu gut kannte. In den Klauenhänden hielt er zwei blutige Dolche, die er seinem Artgenossen dorthin gerammt hatte, wo sich bei Menschen und Elfen die Nieren befanden.
»Rambok!«, rief der Zauberer dankbar aus, überrascht darüber, den Unhold an vorderster Front anzutreffen. Doch so rasch wie er erschienen war, verschwand der Ork auch schon wieder im Getümmel. Wenigstens um ihn brauchte sich Farawyn nicht zu sorgen. Der Schamane hatte sich schon in der Vergangenheit als Überlebenskünstler erwiesen. Womöglich würde er der Einzige sein, der diese Schlacht überstand ...
Der Ork, den Rambok niedergestreckt hatte, rollte seitlich vom Wehrgang und stürzte in den Innenhof, wo Bewaffnete aus der Etappe heraneilten, um die Kämpfenden auf den Wehrgängen zu entlasten, auch Zwergenkrieger aus Prinz Runans Gefolge waren dabei. Angesichts der ungeheuren Massen von Angreifern, die sich außerhalb der Mauern heranwälzten, waren es jedoch verschwindend wenige, und die Befürchtung, die der Zauberer schon die ganze Zeit über gehegt hatte, wenn auch nur insgeheim, drängte sich ihm nun unwillkürlich auf: dass der erhoffte Entsatz durch die Erste Legion nicht zu spät, sondern überhaupt nicht kommen würde!
So lange wie möglich hatten die Bürger und Soldaten von Tirgas Lan ausgeharrt, hatten ihr Leben und ihre Stadt unter hohem Blutzoll verteidigt und ihre ganze Hoffnung darauf gesetzt, dass die Königslegion eintreffen und ihnen die ersehnte Rettung bringen würde. Inzwischen jedoch müsste zumindest die Vorhut der ersehnten Verstärkung die Stadt erreicht haben, und je länger sie ausblieb, desto unwahrscheinlicher wurde, dass sie überhaupt noch kam.
Farawyns heimliche Befürchtung, General Lavan und die Seinen könnten in einen Hinterhalt des Feindes geraten sein, wollte nicht länger schweigen. Mit jedem Elfenkämpfer, der erschlagen von den Mauern fiel, brachte sie sich deutlicher zu Bewusstsein, und anders als in seinen Visionen, die stets nur eine mögliche Zukunft voraussagten, wuchs in Farawyn die Überzeugung, dass dieser Tage nicht nur den Fall und die Eroberung Tirgas Lans sehen würde, sondern auch das Ende der Königsherrschaft und den Beginn eines Zeitalters der Dunkelheit. Die Pläne Margoks waren aufgegangen, die seiner Gegner gescheitert...
So zwangsläufig ihm die Folgerung erschien, so sehr wehrte sich der Zauberer dagegen. Er hatte die Irrationalität der Menschen, ihre Eigenschaft, oftmals selbst entgegen jeder Wahrscheinlichkeit nicht aufzugeben, stets bewundert - nun ließ er selbst alle elfische Vernunft fahren und warf sich erneut in den Kampf, das glathan in der einen und den flasfyn in der anderen Hand. Es mochte keine Logik darin liegen und keine Aussicht auf Erfolg, aber es schien ihm das einzig Richtige zu sein, der Macht des Bösen Widerstand zu leisten bis zum Ende - auch wenn dieses Ende unmittelbar bevorzustehen schien.
Mit einem Kampfschrei ließ er die Klinge kreisen und fällte einen Ork, der sich mit blutiger Axt auf zwei junge Elfen hatte stürzen wollen, die das Erwachsenenalter eben erst erreicht hatten. Dann stieß er mit dem Zauberstab zu und durchbohrte einen weiteren Unhold, noch ehe dieser überhaupt begriff, was geschah. Gurgelnd brach der grünhäutige Koloss zusammen,
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