Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
und kaum stand der rettende Ausweg offen, gab Granock heiser den Befehl zum Abzug.
Es war kein Kampf im herkömmlichen Sinn gewesen, der auf der Hauptstraße von Tirgas Lan getobt hatte, kein Kräftemessen zwischen gleichwertigen Gegnern, sondern ein elendes Gemetzel; folglich wurde es auch kein geordneter Rückzug, sondern eine verzweifelte Flucht. Jene, die das Glück hatten, noch aus eigener Kraft aufrecht zu stehen, stützten und trugen jene, die dazu nicht mehr in der Lage waren. Auch Granock lud sich einen verwundeten Elfenjungen auf die Schulter, die blutende Wunde an seinem Arm ignorierte er schlicht. Im Vergleich zu dem, was andere erlitten hatten, war es nur ein Kratzer.
Hals über Kopf liefen, humpelten und schleppten sich die geschlagenen Elfen an den Reitern vorbei, die die Flanken sicherten, und hielten auf den Palast zu, dessen Tor sich knirschend öffnete. Das Fallgitter hob sich, und mit der letzten verbliebenen Kraft flüchteten sich die Überlebenden in die schützenden Mauern, wo sie erschöpft niedersanken. Auch Granock, Zenan und Alannah erreichten schließlich das Tor, zusammen mit den Aspiranten, die so tapfer gekämpft hatten.
Die Reiter der Menschen folgten ihnen auf dem Fuß, zuvorderst jene, die den Kampfplatz gesichert und die vorgeschobenste Position eingenommen hatten, dann die übrigen. Nacheinander rissen sie ihre Pferde herum und jagten jeweils zu zweit die Gasse hinab, die sich auflöste wie eine Naht, aus der der Faden gezogen wurde.
Natürlich wollten die Orks sich rächen. Sie brannten nach wie vor darauf, ihre Klingen in Elfenblut zu baden und den Königspalast einzunehmen; folglich stürmten sie den Reitern unter wütendem Geschrei hinterher. Doch kaum hatte der letzte der Paladine das Tor passiert, rasselte das Fallgitter wuchtig herab und trennte Verteidiger und Angreifer, und das sich schließende Tor hielt die Speere ab, die in Massen geschleudert wurden.
Von den Zinnen setzte nun, da die Bogenschützen nicht mehr fürchten mussten, die eigenen Leute zu treffen, heftiger Pfeilbeschuss ein, der die Kampfeslust der Unholde zusätzlich dämpfte. Und als Tröge mit kochendem Wasser ausgegossen wurden, das brühend heiß auf jene niederging, die sich mit einem Rammbock am Tor zu schaffen machen wollten, besannen sich die Angreifer endgültig eines Besseren. Unter wütendem Geheul zogen sie sich zurück, und obwohl nicht der geringste Zweifel daran bestehen konnte, dass sie zurückkehren würden, gönnte sich Granock, der rasch die Zinnen erklommen hatte, um sich einen Überblick zu verschaffen, ein erleichtertes Aufatmen.
Außerhalb der Mauern war es, als wären alle Dämme gebrochen - die Masse der sich wütend zurückziehenden Unholde vereinigte sich mit jenen, die nach wie vor die Hauptstraße entlangdrängten, und es hatte den Anschein, als wäre Tirgas Lan von einer Flut aus grünen Leibern, blutigem Stahl und hassverzerrten Fratzen überschwemmt worden. Der Palast jedoch ragte wie eine einsame Klippe daraus hervor, seine Mauern verhießen sicheren Schutz.
Noch...
Granock verließ den Wehrgang wieder, um nach Alannah zu sehen, die er erneut aus den Augen verloren hatte. Er traf auf einige der Aspiranten und sprach ihnen Trost und anerkennende Worte zu, während er weiter nach seiner Gefährtin Ausschau hielt. Er fand sie weder unter all den Verwundeten noch unter jenen, die herangeeilt waren, um ihnen zu helfen. Dafür traf sein Blick einen der Menschenreiter, der aufrecht auf einem schneeweißen Pferd saß und durch das Helmvisier zu ihm herüberschaute. Da seine Rüstung aufwendiger gearbeitet war als die der übrigen und er einen weiten Umhang trug, folgerte Granock, dass es sich um den Anführer der Kämpfer handeln musste, die seinen Leuten und ihm in höchster Not beigestanden hatten.
Er hob die Hand zum Gruß und trat auf den Reiter zu, um sich für die unerwartete Hilfe zu bedanken. Kaum hatte er den Fremden jedoch erreicht, stieß dieser das Visier auf, und Granock schnappte überrascht nach Luft, als er in die vertrauten Züge Yrenas von Andaril blickte.
»Was ...?«
»Seid gegrüßt, Meister Lhurian«, sagte sie nur. Ihre Stimme blieb dabei völlig ruhig, und ihre rehbraunen Augen verrieten keine Regung.
Granock fühlte sich schlagartig elend. Reue, Bedauern und tiefe Beschämung, aber auch Erleichterung und große Dankbarkeit - all das empfand er zugleich und wusste nicht, wie er es in Worte fassen sollte. Also blieb er stumm und starrte die Fürstin
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