Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
Reiches in diesen unsicheren Zeiten in die Hände eines ebenso starken wie weisen Herrschers überging, so überrascht waren sie auch. Noch nie hatte ein Angehöriger des Ordens von Shakara auf dem Alabasterthron gesessen. Im Gegenteil, die Trennung von Zauberei und Regierungsgewalt war über Jahrtausende hinweg ein fester Grundsatz gewesen, den zuletzt Elidors Vater mit eiserner Härte durchgesetzt hatte - und den sein Sohn nun kurzerhand über den Haufen warf.
Niemand wollte sich dem Gedanken ganz verschließen, aber natürlich gab es Zweifel, und selbst Granock war nicht frei davon. Nur einer schien über diese Entwicklung kaum überrascht zu sein, obschon sie ihn am meisten betraf.
Farawyn selbst...
»Seid Ihr sicher, dass Ihr das wollt, Hoheit?«, fragte er so, als hätte er mit nichts anderem gerechnet. War das der Fall? Hatten seine Visionen ihn womöglich schon vor langer Zeit über diese Dinge in Kenntnis gesetzt?
»Bin ... sicher«, bestätigte Elidor mit zaghaftem Nicken, und seine Stimme verblasste zu einem Flüstern, sodass Farawyn an seinem Bett niedersank und sich dicht über ihn beugen musste, um noch etwas zu verstehen. »Versprecht mir ...«, hauchte der sterbende König.
»Was soll ich Euch versprechen, Hoheit?«
»Dass Ihr das Reich bewahren ... für seine Einheit sorgen ... das Volk retten ...«
»Ich werde mein Bestes geben«, versprach Farawyn, worauf der König zufrieden nickte - und dann in die letzten Todeszuckungen verfiel.
Caia hielt die eine, Farawyn die andere Hand, als der Herrscher von Tirgas Lan schließlich sein Leben aushauchte. Mehrmals warf Elidor das Haupt hin und her, so als könne er noch keine Ruhe finden, dann endlich entkrampfte sich sein gepeinigter Körper, und er lag still.
Farawyn schloss ihm die Augen, und Caia, deren Tränen sich nun ungehemmt Bahn brachen, sank weinend am Totenlager ihres Geliebten nieder.
Elidor, König des Elfenreichs, war tot.
Farawyn erhob sich, nun doch sichtlich erschüttert. Respektvoll senkte er das Haupt und hielt eine stille Andacht für den Herrscher Tirgas Lans, der trotz seiner Jugend und Unerfahrenheit über sich hinausgewachsen und dem Reich ein guter und gerechter König gewesen war, und dessen Geist niemals Eingang in die Versammlung der Ewigen Seelen finden würde. Unwiederbringlich war er verloren, wie so viele in diesen Tagen, ein entsetzlicher Verlust.
Beklommenes Schweigen hatte sich über das Schlafgemach gesenkt, nur Caias Schluchzen war zu hören. Die Trauer war allgegenwärtig und beinahe körperlich zu greifen, dennoch wussten alle, dass sie sich ihr nicht lange ergeben durften. Denn der grausame Feind stand noch immer vor den Toren und begehrte Einlass.
»In den alten Zeiten«, brach Farawyn deshalb das Schweigen, »war es Sitte, eine Frist von zehn Tagen zu wahren, um das Andenken des verstorbenen Königs zu ehren. Erst dann wurde sein Nachfolger ins Königsamt eingeführt. Auch unser guter König Elidor hätte diese Ehrung verdient, meine Freunde, aber wir alle wissen, dass die Zeiten nicht dazu angetan sind. Wer also soll Euer neuer Anführer sein, nun, da Elidor von uns gegangen ist? Wer soll Euch führen in diesem letzten Kampf?«
»Elidor hat Euch zu seinem Nachfolger bestimmt, Ältester Farawyn«, brachte Irgon in Erinnerung.
»Ich weiß, General, und wenn das Volk es so will, werde ich mich dieser Verantwortung nicht entziehen«, versicherte der Zauberer. »Aber Ihr alle wisst, dass dies einen Wandel bedeuten würde, einen grundlegenden Wechsel in der Geschichte unseres Volkes, und ich werde ihn nicht vollziehen, wenn welche unter Euch sind, die Zweifel an mir hegen. Elidor wollte, dass ich Euch führe, und das kann und werde ich tun - aber ich muss alle geschlossen hinter mir wissen!«
Einmal mehr konnte Granock seinen alten Meister nur für dessen Klugheit und Schläue bewundern. Als Ältester von Shakara hatte Farawyn die Erfahrung gemacht, wie schwierig es war, etwas zu führen, das jederzeit auseinanderzufallen drohte. Angesichts der ungeheuren Bedrohung war es jedoch notwendig, alle Parteien vereint zu wissen und jede Rivalität von vornherein im Keim zu ersticken. Dies und nichts anderes war der Grund für sein scheinbares Zögern, sich Elidors Wunsch zu beugen - und es erfüllte seinen Zweck.
Die anwesenden Offiziere wie auch die Zauberer und die königlichen Berater verständigten sich mit Blicken. »Wir alle«, verkündete Irgon sodann, »wüssten niemanden sonst, der sowohl die Weisheit
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