Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
königliches Blut fließt«, eröffnete der Zauberer, und es war offensichtlich, dass nicht der König aus ihm sprach, sondern der Seher. »Nur er wird in der Lage sein, das Tor zu öffnen, und nur er kann den Bann brechen, der nicht nur Tirgas Lan, sondern ganz Trowna erfassen wird, denn nur er kennt das geheime Wort.«
»Das geheime Wort?«, fragte Alannah. »Also ein Zauberspruch?«
»Nicht ganz. Schon eher etwas, das dem schlichten Geist unseres Freundes Rambok entsprungen sein könnte.«
»Wenn man vom Ork spricht«, knurrte Irgon. »Wo ist der Halunke überhaupt?«
»Ich weiß es nicht.« Granock schüttelte den Kopf. »Seit dem Kampf im Stollen habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Niemand hat das«, erwiderte Farawyn ohne jedes Erstaunen, »und ich denke auch nicht, dass wir ihn jemals wieder zu Gesicht bekommen werden. Er hat bekommen, was er wollte.«
»Nämlich?«, fragte Granock.
»Wonach wir uns alle sehnen - eine Bestimmung«, eröffnete Farawyn, und wieder war da dieses seltsame Lächeln.
Inzwischen war die Sonne im Westen nur noch als gezackter Halbkreis über den Bäumen zu sehen. Der neue Tag, so hatte der Zauberer angekündigt, würde über einer verlassenen Stadt heraufziehen.
Ein letztes Mal blickten die auf dem Balkon Versammelten auf das, was über Jahrtausende hinweg das Zentrum des Elfenreichs gewesen war, schauten auf die Dächer und Türme Tirgas Lans. Es war ein ergreifender Moment, und Granock, der den größten Teil seines Lebens ein Einzelgänger gewesen war, ertappte sich dabei, dass er sich denen, die neben ihm standen und diesen Augenblick mit ihm teilten, in tiefer Freundschaft verbunden fühlte. Obschon er nie eine Heimat gehabt hatte, und sich weder der Welt der Menschen noch der der Elfen ganz zugehörig fühlte, hatte er sich hier zu Hause gefühlt. Trauer überkam ihn. Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und rann über seine Wange, und er schämte sich nicht dafür.
Eine Hand tastete nach seiner und ergriff sie, und er wusste, dass sie Alannah gehörte.
17. CARON'Y'FARAWYN
Nur wenige Wochen später, im ersten Mond des Neuen Jahres, wurde Farawyn, Zauberer und Ältester des Ordens von Shakara, zum neuen König des Elfenreichs gekrönt.
Es war keine feierliche Zeremonie, wie Granock erwartet hatte, sondern eine nüchterne Amtshandlung.
Der Hofadel - oder vielmehr das, was noch davon übrig war - versammelte sich in der großen Halle von Tirgas Dun, wo unter dem Vorsitz des dortigen Statthalters Parnas die Krönung vollzogen wurde. Es war ein schlichter Akt, der ohne große Worte und Gesten auskam; lediglich die Namen der bisherigen Elfenkönige wurden verlesen, von Glyndyr dem Prächtigen über Parthalon und Sigwyn bis zu Gawildor und dessen Sohn Elidor, auf die schließlich Farawyn folgte, und schon jetzt stand fest, dass er den Beinamen »der Seher« erhalten würde.
Yaloron, der oberste Minister Tirgas Duns, war es, der ihm den Silberreif aufs Haupt setzte, der in Ermangelung der echten Elfenkrone in Zukunft die Stirn des Herrschers kränzen würde. Im Anschluss daran nahm Farawyn die Huldigung des Adels und der Generäle entgegen, die ihm und dem Reich Treue schworen. Auch Granock trat vor den Thron und senkte das Haupt, wenngleich es ihm seltsam unwirklich vorkam, dass ausgerechnet sein alter Meister fortan als König über das Elfenreich regieren sollte. Andererseits konnte er sich niemanden vorstellen, der besser dafür geeignet sein sollte, das Reich aus Asche und Zerstörung wieder zurück ins Licht zu führen.
Auch Alannah und die übrigen Ordensmitglieder, die sich in der Halle von Tirgas Dun versammelt hatten, schworen dem neuen König Treue, und es erschütterte Granock zu sehen, wie wenige sie waren. Die Namen der Meister, Eingeweihten, Aspiranten und Novizen, die ihr Leben im Kampf um die Freiheit gegeben hatten, waren Legion, und wann immer Granock ihre Namen hörte, tauchten ihre Gesichter vor seinem geistigen Auge auf, und unendliche Trauer erfüllte ihn.
Cethegar.
Semias.
Haiwyl.
Ogan.
Filfyr.
Awyra.
Larna.
Asgafanor.
Nyras.
Simur.
Sunan.
Die Hunla.
Daior.
Nimon.
Eoghan.
Und zuletzt Meisterin Tarana ...
Sie alle hatten nicht nur ihr Leben, sondern ihre gesamte Existenz geopfert, damit das Reich und damit ganz Erdwelt eine Zukunft hatte und den Völkern Freiheit beschert war. Niemand würde je in der Lage sein zu ermessen, welche Opfer sie gebracht hatten, und nach all dem Blut, dem Leid und dem
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