Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
Boden berührten, da hatte er mit einem Mal das Gefühl, ein - wenn auch nur winziger - Teil von etwas Großem, Bedeutendem zu sein und sich seiner Rolle im kosmischen Spiel der Kräfte bewusst zu werden. Schon einen Herzschlag später jedoch war dieser Eindruck wieder verflogen. Granock zog das Boot vollends an Land und half Ardghal dabei, das Segel zu reffen. Dann griff er nach seinem Zauberstab, und sie begaben sich auf den Weg nach Crysalion.
Die Stufen, die vor undenklich langer Zeit in den Fels gehauen worden waren, waren glatt geschliffen von den Schritten all derer, die hier entlanggegangen waren. In engen Windungen führten sie an den steilen Klippen empor, die diese Seite der Insel säumten und über denen der Palast von Crysalion thronte.
Noch immer hatte sich Granock von dem Anblick des stolzen Bauwerks nicht erholt, und er brannte darauf, es aus der Nähe zu betrachten - mit noch viel größerer Ungeduld jedoch sehnte er sein Wiedersehen mit Alannah herbei.
Wie würde es sein, ihr wiederzubegegnen nach all den Jahren? Zürnte sie ihm noch wegen der Dinge, die damals geschehen waren, oder hatte sie ihm vergeben? Und vor allem: teilte sie seine Zuneigung noch?
Die letzte Frage erschreckte den jungen Zauberer.
Er selbst hatte Alannah in all der Zeit nicht vergessen, und seine Gefühle für sie waren immer noch dieselben wie am Tag des überstürzten Abschieds. Ob sie ebenso empfand, war mehr als fraglich. Immerhin hatte sie sich damals nicht für ihn, sondern für Aldur entschieden - welches Recht hatte er also, unvermittelt aufzutauchen und alte Wunden aufzureißen?
Granock fühlte sich plötzlich elend, und je weiter sie den Pfad hinaufstiegen, desto schlimmer wurde es. Er hatte seinen Willen durchgesetzt und war nach den Fernen Gestaden gereist, um Gewissheit zu bekommen und endlich Ruhe zu finden - aber was, wenn der Schmerz dadurch nur noch größer wurde? Wenn er Alannah sah und zu der Erkenntnis gelangte, dass er vier weitere Jahre ohne sie nicht ertragen würde? Und was würde geschehen, wenn er Aldur begegnete? Vier Jahre lang war ihm die sagenumwobene Heimat der Elfen als das lohnendste Ziel auf Erden erschienen - nun hatte er plötzlich Zweifel.
Von den schmalen Felseinschnitten aus, durch die der Pfad verlief, bot sich den Wanderern immer wieder ein flüchtiger Blick auf den Palast; erst als sie die Klippenfelsen ganz erklommen hatten, bekamen sie ihn ganz zu sehen - und Granock begriff, dass etwas mit dem Bauwerk nicht stimmte!
Nach allem, was er gehört hatte, bestand es ganz aus Kristall und hätte entsprechend von Licht durchdrungen sein müssen, aber das war nicht der Fall. Im Gegenteil wirkten Mauern und Türme schmutzig und grau und waren von dunklen Adern durchzogen wie schmelzendes Eis am Ende des Winters.
Auch Ardghal hatte es bemerkt, und es war das erste Mal, dass Granock den sonst so scharfzüngigen Fürsten sprachlos erlebte. Selbst im Kerker von Andaril hatte der Verräter weiter sein Gift verspritzt und seine Intrigen gesponnen. Nun jedoch schienen auch ihm die Worte zu fehlen.
»Bei ... bei allen Mächten Crysalions«, war alles, was er stammelnd hervorbrachte. »Was ist hier geschehen?«
»Die Festung scheint beschädigt«, kommentierte Granock betroffen. Angesichts des Spotts, mit dem Ardghal ihn noch vorhin übergossen hatte, hätte er auch Häme empfinden können, aber tatsächlich fühlte er nur Bedauern. Und wachsende Sorge ...
»Beschädigt?« Ardghal bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Der Palast von Crysalion ist keine Ansammlung von Steinen, die die Arbeit grober Hände aus dem Fels gerissen und wieder zusammengefügt hat. Der Hort der Kristalle ist aus der Kraft des Annun erwachsen und von ihr durchdrungen. Er ist auf gewisse Weise lebendig! Wenn er sein Licht verloren hat, so muss es dafür eine Ursache geben.«
»Eine Ursache?« Granock konnte sein Erschrecken nicht verbergen.
»Ihr habt mir nie gesagt, weshalb Ihr nach den Fernen Gestaden reisen wolltet, Meister Lhurian«, sagte Ardghal lauernd. Wie immer, wenn er Granocks Zaubernamen aussprach, hörte es sich spöttisch an.
»Nein«, bestätigte Granock, »und daran wird sich auch nichts ändern. Eure Aufgabe ist es, mich zum Palast zu führen. Sobald Ihr Euren Teil der Abmachung erfüllt habt, gebe ich Euch frei, und Ihr könnt gehen, wohin es Euch beliebt.«
»Und was werdet Ihr dann tun?«
»Das geht Euch nichts an.«
»Natürlich nicht.« Ardghal lächelte schwach. »Und wenn ich Euch
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