Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
dessen schmale, asketisch wirkende Gesichtszüge von langem blondem Haar umrahmt wurden. Ein schmales Augenpaar schien Granock aus fernster Vergangenheit anzustarren ... »Aldur!«
Granock war außer sich.
Wäre er nicht zu erschöpft dazu gewesen, wäre er aufgesprungen, um den Freund zu begrüßen. So begnügte er sich damit, ihn aus großen Augen anzusehen und in einer Mischung aus Ehrerbietung und Dankbarkeit die gefesselten Hände zu heben. Für einen Augenblick war die Freude über das unverhoffte Wiedersehen so groß, dass sie den Schmerz und den Zorn und selbst die bittere Gegenwart verdrängte.
Wie oft in den zurückliegenden vier Jahren hatte sich Granock gewünscht, Aldur gegenüberzutreten und ihm alles zu erklären, sich zu rechtfertigen für die Dinge, die geschehen waren, und um sein Verständnis zu werben. Nun, da der verloren geglaubte Freund vor ihm stand, brachte er kaum ein Wort hervor. »Aldur, Aldur«, hauchte er nur immer wieder.
»Rothgan«, verbesserte der andere mit einer Kälte, die Granock erschaudern ließ. So sehr er sich freute, die Stimme des Freundes zu hören - sie hatte sich verändert. Oder spielte seine Erinnerung ihm nur einen Streich?
»Natürlich«, bestätigte er nickend. »Du bist am Leben, Freund. Dafür danke ich dem Schicksal!«
»Danke ihm nicht zu früh«, beschied Aldur-Rothgan ihm ohne erkennbare Regung. Er unternahm keine Anstalten, sich zu ihm hinabzubücken oder ihn zu begrüßen. »Rurak hatte recht. In jeder Hinsicht.«
»Rurak?« Granock stutzte, und fast kam es ihm vor, als erwache er erst jetzt wirklich. »Wovon sprichst du?«
»Er hat geahnt, dass es deiner menschlichen Natur zuwiderlaufen würde, dich mit etwas abzufinden. Ihm war von Beginn an klar, dass du irgendwann hier auftauchen würdest, ganz einfach weil dein schwaches Wesen dich dazu zwingt.«
»Rurak?«, hakte Granock noch einmal nach. »Was hast du mit dem Verräter zu schaffen?«
»Was dich betrifft, hat er die Wahrheit gesagt«, erwiderte Rothgan nur. »Er sagte, er wüsste einen Weg, dich an diesen Ort zu locken und dich damit meiner Rache zuzuführen. Und wie du siehst, ist es ihm gelungen.«
»Mich an diesen Ort locken? Rache?« Granock wiederholte die Worte, ohne ihren Inhalt wirklich zu begreifen. Sein erschöpfter Verstand hatte Mühe, mit der Entwicklung der Dinge Schritt zu halten.
»Gewiss. Es bedurfte nur eines geeigneten Köders, um dich an die Fernen Gestade zu locken. Menschen verhalten sich wie Hunde. Man braucht ihnen bloß einen Knochen hinzuwerfen, und schon beißen sie zu.«
»Es war alles geplant?« Erst ganz allmählich begriff Granock, was der andere ihm zu sagen versuchte. »Ich sollte hierherkommen?«
»Was dachtest du? Dass du dich frei dazu entschieden hättest?« Er lachte auf. »Wahrscheinlich hattest du sogar ein schlechtes Gewissen deswegen, wie es bei euch Menschen üblich ist. Ändern werdet ihr euch dennoch nie.«
»Du lügst«, sagte Granock, wobei es mehr ein Wunsch war als eine Feststellung.
»Natürlich.« Rothgan nickte. »Auch das ist typisch für euch Menschen. Ihr seid nicht nur Narren, sondern auch unfähig, euch eure Narrheit einzugestehen. Was, wenn ich es dir beweisen würde? Was, wenn ich dir zeigte, dass du nur eine Figur in einem Spiel gewesen bist?«
»Wie willst du das anstellen?«
Aldur-Rothgan lachte kehlig. Dann klatschte er in die Hände und trat zur Seite, und durch die offene Zellentür kam - Granock traute seinen Augen nicht - kein anderer als Fürst Ardghal, springlebendig und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Da wurde ihm klar, dass er in Andaril tatsächlich in die Falle gelockt worden war. Und das Perfide daran war, dass Rothgan sogar Farawyn zu seinem Komplizen gemacht hatte.
Das Ausmaß seiner Bestürzung spiegelte sich in Granocks Gesicht wider, was Rothgan amüsierte. »Du solltest dich sehen, Mensch. Das bist du. Nicht mehr.«
»Yrena?«, fragte Granock.
Ardghal schüttelte den Kopf. »Nur eine willige Spielfigur, genau wie Ihr, großer Meister Lhurian.«
Granock ertrug den Anblick seiner triumphierenden Feinde nicht. Er vergrub das Gesicht in den Händen, wobei ihn die klirrenden Ketten bei jeder Bewegung an seine Torheit erinnerten. Um die Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen, war er nach den Fernen Gestaden aufgebrochen - nun hatte sie ihn erst recht eingeholt. Granock hatte sein Leben ins Reine bringen wollen und damit nur Schaden angerichtet. Er hatte Farawyns Vertrauen missbraucht und Yrena
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