Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
die Regeln zu verstoßen.
Es war ausgesprochen mutig – doch Lotte hoffte von ganzem Herzen, dass der Zauber wirken würde. Diebstahl konnte nur ihr letzter Ausweg sein.
Als sie das Klassenzimmer betraten, schubste jemand Lotte; sie stieß gegen den Türrahmen und schrie auf, als ihre Schulter gegen das harte Holz prallte. Ruby, die ein paar Meter vor ihr war, schoss zu ihr zurück, packte sie und riss sie hoch, während sie gleichzeitig die Person hinter Lotte anfunkelte.
»Oh, Lotte, das tut mir ja so leid. Ich bin ausgerutscht«, sagte Zara Martin zuckersüß und hob Lottes Tasche für sie auf.
Lotte starrte wütend in Zaras dunkle blaue Augen, die unschuldig aufgerissen waren. Sie war ein Mädchen mit rosa Wangen und braunen Haaren, das aussah wie ein Engel und immer von einer Meute Freundinnen umringt war, die alle an seinen Lippen hingen.
Lotte blickte in Zaras Augen und sah sich selbst darin gespiegelt, klein und blass. Das macht sie aus mir, dachte Lotte. Jedenfalls hätte sie das gerne. Dann schoss ihr ein weiterer Gedanke durch den Kopf: Ihre Augen sind hart, wie Spiegelglas.
Sie warf Zara ein freundliches Lächeln zu und beobachtete, wie sich ihr Spiegelbild veränderte – die ausgewaschen wirkenden Farben wurden kräftiger. Lotte hatte einige Wochen zuvor einen starken Zauber gegen Zara ausgesprochen, der an Zaras Stellung als jedermanns Liebling – oder zumindest jedermanns Prinzessin – gerüttelt hatte. Lotte war sich ziemlich sicher, dass in Wahrheit keiner aus der Klasse Zara allzu sehr mochte. Aber sie hatte alle seit dem Kindergarten abwechselnd herumgeschubst und umschmeichelt, und sie hatten sich daran gewöhnt, stets zu tun, was sie verlangte.
Zaras hübscher Mund verzog sich zu einem schmalen Strich, als ihr klar wurde, dass Lotte keine Angst vor ihr hatte. »Willst du den ganzen Tag im Weg herumstehen?«, fuhr sie sie an.
Lotte wandte sich von ihr ab und ging langsam zu ihrem Pult, obwohl es sich anfühlte, als wäre das unklug – so als würde man einer Schlange den Rücken zukehren, die im Begriff war, zuzubeißen.
»Ich habe dir ja gesagt, du hättest sie nicht vergessen lassen sollen, was du gemacht hast!«, zischte Ruby, als Lotte sich setzte. »Sie ist genau so schlimm wie vorher!«
Lotte schüttelte den Kopf. »Nein, sie macht mir keine Angst mehr, so wie früher. Sie ist definitiv durcheinander. Sie weiß, dass niemand sie mehr so anbetet wie früher, doch sie weiß nicht, warum. Und sie findet es schrecklich, den Grund nicht zu kennen.«
Lotte konnte nicht anders, als ein bisschen selbstgefällig zu klingen, aber schließlich war sie auch sehr stolz auf jenen Zauber.
Lotte lächelte in sich hinein. Als Zara sie gestoßen hatte, hatte sie blitzartige Besorgnis von Sofies Seite gespürt. Die Dackelhündin mochte wütend auf sie sein, doch sie waren noch immer miteinander verbunden, und Sofie lag nach wie vor viel an ihr. Lotte dachte voller Zuneigung an ihre Vertraute und erhielt die Antwort eines schläfrigen Hundes, der zusammengerollt auf dem alten Lehnsessel in der Küche lag. Offensichtlich war im Laden unglaublich viel los, und Sofie wollte ihre Ruhe. Pass gut auf, Lotte , rügte sie sie gähnend und kuschelte sich in eine bequemere Position auf dem Stuhl. Du sollst doch lernen.
Lottes Selbstgefälligkeit war nichts verglichen mit Sofies.
Weil Lotte ihre Hausaufgaben schon im Voraus erledigt hatte, konnte sie beginnen, an dem Zauber zu arbeiten, sobald sie von der Schule nach Hause kam. Lotte grinste vor sich hin, als sie ihre Schultasche in der Küche auf den Boden plumpsen ließ. Sie nahm an, Mrs Laurence musste ab und zu auch mal recht haben. Sie hielt den Fünftklässlern ständig Vorträge darüber, die Hausaufgaben nicht bis zur letzten Minute vor sich her zu schieben.
Sofie lag immer noch in dem Lehnsessel, und Lotte vermutete, dass sie sich womöglich den ganzen Tag nicht vom Fleck gerührt hatte, außer vielleicht, um sich zur Mittagszeit einen kleinen Imbiss oder auch drei zu gönnen.
»Ich weiß genau, dass du nicht schläfst«, verkündete Lotte bestimmt. »Komm schon, wir müssen diesen Zauber ausprobieren.«
Sofie rollte sich auf den Rücken und strampelte mitleidheischend mit ihren Pfoten in der Luft. Ihre glänzenden schwarzen Krallen schimmerten. »Ich habe Hunger«, stöhnte sie. »Zauberei schlaucht ganz schön. Ich werde Schokolade brauchen. Tonnenweise Schokolade.« Ein waches, spitzbübisches Auge blinzelte Lotte an, ehe Sofie beide
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