Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
Vertraute zu haben bedeutete, für immer zusammen zu sein – dass sie ein Teil vom anderen waren. Das konnte nicht einfach aufhören! Oder zumindest hoffte sie das …
Lotte stapfte missmutig durch das Herbstlaub und stürmte auf die Brücke, auf der sie mit Ruby verabredet war.
»Hey. Dir auch einen guten Morgen.« Ruby grinste. Sie trug einen verrückten roten Wollhut mit einem riesigen Bommel, dessen Farbton sich so extrem mit ihren roten Locken biss, dass es richtig klasse aussah. Lotte wünschte, sie hätte den Mumm, etwas so Gewagtes zu tragen.
»Was ist los?«, fragte Ruby, als sie zusammen weitergingen.
»Sofie ist sauer auf mich. Ich habe gestern Nacht im Traum wieder meinen Dad besucht, und ich habe es ohne sie gemacht. Sie glaubt, ich hätte sie absichtlich zurückgelassen.«
»Und, hast du?«, hakte Ruby nach.
Lotte lachte schnaubend. »Nein. Ich wusste ja nicht mal, dass ich gehen würde. Ich hätte sie nicht zurücklassen können, selbst wenn ich es versucht hätte. Sie ist einfach nicht mitgekommen.«
»Hat er dir etwas Neues erzählt? War er immer noch, äh, ein Einhorn?« Ruby hatte die ganze Einhorngeschichte etwas ungläubig zur Kenntnis genommen, aber Lotte konnte das sehr gut nachvollziehen. Sie verstand es ja nicht einmal selbst so richtig.
»Er war beides. Zuerst war er ein Einhorn, doch dann habe ich ihn in echt gesehen.« Lotte lächelte zum ersten Mal an diesem Morgen. »Ich glaube, er kommt nach Hause, Ruby. Er war auf einem Schiff. Aber er hat nicht bemerkt, dass ich da war. Und er glaubt, jemand verfolge ihn. Sie , hat er gesagt. Es muss Pandora sein, oder?«
»Ich denke, ja.« Ruby erschauerte. »Na toll. Genau das, was wir noch gebraucht haben. Trotzdem sind das gute Neuigkeiten, Lotte, nicht wahr? Dass dein Dad nach Hause kommt? Du klingst nur nicht so glücklich, wie ich gedacht hätte.«
Lotte seufzte. »Ich wünschte bloß, er hätte mich erkannt, das ist alles. Als er auf dem Schiff war, konnte er mich nicht sehen. Und ich mache mir Sorgen wegen Sofie. Und um das arme Kaninchen.« Sie warf einen Blick über die Schulter. Sie konnten die Tierhandlung von hier aus nicht richtig sehen, aber sie wusste, dass das Kaninchen in der Nähe war und noch immer die Wand hinter seinem Käfig anstarrte. »Wir müssen es da rausholen«, murmelte sie Ruby zu.
»Hast du den Zauber ausprobiert, den Ariadne vorgeschlagen hat? Hat er nicht funktioniert?«
»Ich konnte ihn nicht anwenden. Sofie ist gestern Abend einfach verschwunden. Ich war echt sauer auf sie. Ich glaube, ich bin vielleicht deshalb ohne sie auf die Traumreise gegangen, weil ich immer noch wütend war. Und ich brauche unbedingt ihre Hilfe bei dem Herbeirufungs-Zauber. Besonders, wenn es kein magisches Kaninchen ist. Dann wird es noch viel schwieriger sein.« Lotte runzelte die Stirn. »Ruby, meinst du, Onkel Jack hat recht und Kaninchen stört es nicht, eingesperrt zu sein? Diejenigen, die nicht magisch sind, meine ich? Onkel Jack schien das arme Ding nicht mehr so am Herzen zu liegen, sobald er dachte, es handle sich bloß um ein altes Kaninchen. Und Sofie macht da zweifellos einen Unterschied. Warum sollten magische Tiere wichtiger sein?«
Ruby zog die Nase kraus. »Vielleicht fühlen magische Tiere mehr?«, schlug sie achselzuckend vor. »Aber du hast völlig recht, es scheint nicht fair zu sein. Armes, altes Ding. Lotte …« Ruby zögerte und senkte die Stimme. Die Schule war inzwischen in Reichweite und die Straße voller Kinder, die mit ihnen auf das Gebäude zu eilten. »Vielleicht sollten wir es einfach stehlen?«
Lotte sah sie entgeistert an, unsicher, ob Ruby ihre Worte ernst meinte. »Meinst du wirklich?«
»Nun, ich wette, wir könnten es«, überlegte Ruby laut. »Ich glaube, es dürfte nicht allzu schwer sein, wenn wir den Laden beschatten und abwarten würden, bis sie zur Hintertür raus verschwindet. Es sah nicht wie die Sorte Geschäft aus, das über Sicherheitskameras verfügt, oder? Und an dem Käfig war kein Schloss.«
»Aber das ist … na ja … falsch«, sagte Lotte hilflos.
»Tierquälerei ist falsch, genau wie du gesagt hast«, entgegnete Ruby. »Jedenfalls finde ich, dass wir es tun sollten, wenn der Zauberspruch nicht funktioniert.«
Als Lotte ihrer Freundin durch das Schultor folgte, dachte sie nicht zum ersten Mal bei sich, dass Ruby so viel tapferer war als sie selbst. Ruby überlegte sich, was sie für richtig hielt und handelte danach, selbst wenn es bedeutete, hin und wieder gegen
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