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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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sicher längst aufgegeben hatte und nach Hause und ins Bett gegangen war. Wenn man alle zweifelhaften Möglichkeiten abwog, war jetzt die richtige Zeit für Harry, um seine Sachen zu holen, vor allem seinen kostbaren Pass, und sich davonzumachen. Er hatte noch immer keine Ahnung, wohin er gehen wollte oder sollte, doch in seinem gegenwärtigen Zustand konnte er nur einen Schritt nach dem anderen tun.
    Er stieg die Kellertreppe hinauf. Seine Füße schmerzten von dem langen Umweg, mit dem er die Brücke in Knippelsbro umgangen hatte. Die Straße war still, kalt und leer, aus dem Pussy Cat hinter ihm stieg das Gerumpel von Bässen auf. Harry zündete sich eine dänische Zigarette an und machte sich auf den Weg. Helgolandsgade führte direkt in die Istedgade. In fünf Minuten würde er im Kong Knud sein, und in weiteren fünf Minuten konnte er wieder fort sein.
    An der Kreuzung blieb er stehen und spähte die Istedgade entlang in Richtung Hotel. Alles sah harmlos aus. Keine herumlaufenden Gestalten, keine Leute in geparkten Autos, keine finsteren Profile in dunklen Toreinfahrten. Es schien keine Gefahr zu bestehen. Mit gleichmäßigen Schritten ging er los und behielt dabei den gegenüberliegenden Bürgersteig im Auge. Dann, als die vertraute, unbeleuchtete Front des Kong Knud sichtbar wurde, nahm er seinen Schlüssel aus der Tasche, warf die Zigarette weg und spurtete über die Straße zur Eingangstür. Er verdarb allerdings die Wirkung, weil er versuchte, den Schlüssel verkehrt herum ins Schloss zu stecken. Einen Augenblick später hatte er schließlich die Tür geöffnet, einen weiteren Augenblick später fiel sie hinter ihm zu.
    Die Halle lag im Dunkeln bis auf ein schwaches Nachtlicht hinter der Empfangstheke. Harry ging daran vorbei zum Schlüsselbrett, nahm seinen Zimmerschlüssel und stieg die Treppe hinauf. Die Stufen knarrten unter seinen Schritten, doch sonst durchbrach nichts die beruhigende Stille.
    Sein Zimmer war so, wie er es verlassen hatte, seine wenigen Habseligkeiten auf den bescheidenen Möbeln verteilt. Harry brauchte nur wenige Minuten, um zu packen. Erst danach fühlte er sich zu einer Entscheidung fähig, was er als nächstes tun sollte. Es war beinahe fünf Uhr, und in Kürze mussten irgendwelche Züge gehen. Irgendein Zug würde ihn aus Kopenhagen und Dänemark herausbringen, ehe die Polizei ihn im Kong Knud aufspürte. Ja, das war es. Er würde zum Bahnhof gehen und eine Fahrkarte für den nächstbesten Zug kaufen. Er betastete seine Brust, um sich zu vergewissern, dass sein Pass nun sicher in seiner Tasche steckte, nahm seine Reise tasche und verließ das Zimmer.
    Unten in der Halle legte er die Schlüssel so hin, dass sie gefunden werden mussten, und dachte einen Augenblick traurig an die restlichen Tage der Woche, die er im voraus hatte bezahlen müssen. Dann öffnete er die Tür zur Straße und trat hinaus in das, was von der Nacht noch übrig war.
    Er hatte etwa zwanzig Schritte zurückgelegt und daran gedacht, sich eine Zigarette anzuzünden, als er ganz nahe das Ticken eines abkühlenden Motors hörte. Plötzlich und lautlos öffnete sich die hintere Tür eines geparkten Wagens auf dem Bürgersteig dicht vor ihm und versperrte ihm den Weg. Ehe er reagieren konnte, spürte er jemanden neben sich und hörte eine Stimme, die in sein Ohr flüsterte: »Worauf warten Sie noch? Steigen Sie ein.«

21. Kapitel
    Der Anblick eines bärtigen Mannes hatte Harry nie so gefreut wie in diesem Augenblick. Olaf Jensen sah riesig und ermutigend groß aus, trug einen langen grauen Mantel und einen grauen Hut, und sein ingwerfarbener Bart befand sich ungefähr auf der gleichen Höhe wie Harrys Kopf. »Los«, zischte er und schaute die Straße hinunter. »Bewegen Sie sich doch!«
    »Verzeihung. Es ist bloß... Ich wusste nicht...«
    »Wir müssen los. Sofort!«
    »In Ordnung. Tut mir leid.« Harry kletterte in den Wagen und hatte über den Rückspiegel flüchtigen Augenkontakt mit dem Fahrer. Dessen Blick vermittelte Erleichterung, dass er endlich eingestiegen war. Jensen schlug die Tür hinter ihm zu und setzte sich eine Sekunde später auf den Beifahrersitz. Er murmelte dem Fahrer auf Dänisch etwas zu, und sie fuhren an. »Sie sind Olaf Jensen?« fragte Harry nervös.
    »Nein«, sagte Jensen, sich nach ihm umdrehend. »Ich bin Soren Kierkegaard! Was ist los mit Ihnen? Torben hat Ihnen den Plan doch erklärt, oder?«
    »Nicht... äh... genau.«
    »Aber Sie sind um fünf gekommen, genau wie

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