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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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sich hatte, würde die Polizei schnell seine Schwester aufspüren, und die würde ihnen von Harry erzählen. Womöglich würde man ihn am Ende wegen Mordes suchen, und er hatte kein Alibi und ein ziemlich verdächtiges Verhalten zu erklären. Das erleichterte zumindest eine Entscheidung: Er konnte nicht zur Polizei gehen.
    Aber an wen konnte er sich wenden? Ohne Hilfe war er erledigt. Ebensogut könnte er sich der Polizei stellen und darauf hoffen, dass man ihm glaubte. Zumindest wäre er in Polizeigewahrsam sicher. Aber was war mit Hammelgaards überlebenden Freunden in Amerika? Was war mit der Botschaft, die zu überbringen er sich verpflichtet hatte?
    Natürlich! Margrethe Hammelgaard war die Antwort. Sie wusste vielleicht, wie man sich mit Donna Trangam und den anderen in Verbindung setzen konnte. Sie würde Harry vielleicht als einzige glauben. Aber wie sollte er sie finden? Bei ihrem Laden im Straget zu warten wäre zu auffällig. Er würde erst in ungefähr sieben Stunden wieder geöffnet, und es gab keine Garantie dafür, dass sie dann dort war. Wesentlich besser wäre es, zu ihr nach Hause zu gehen, wo immer das sein mochte.
    Von einer Telefonzelle aus rief Harry die Auskunft an. Die Person am anderen Ende sprach Englisch und gab sich große Mühe, ihm zu helfen, aber eine M. Hammelgaard stand nicht im Verzeichnis. Vielleicht wohnte sie außerhalb der Stadt, vielleicht war die Nummer unter dem Namen ihres Ehemanns eingetragen. Falls sie einen Ehemann hatte. Harry wusste es nicht. Aber er wusste, dass sie einen Bruder hatte. Vielleicht hatte der ein Notizbuch oder Verzeichnis bei sich, das die Adresse seiner Schwester enthielt.
    Und so machte Harry sich widerwillig und ängstlich wieder auf den Weg nach Knippelsbro. Er wusste, dass das, was er tat, vernünftig war, aber er wusste auch, dass er von seinen bloßliegenden Nerven viel verlangte. Außerdem hatte er völlig die Orientierung verloren. Die Straße, von der er glaubte, sie führe nach Knippelsbro, endete vor einem Apartmentkomplex am Rand des Hafens. Als er das Ufer erreichte und nach links schaute, konnte er allerdings die Brücke sehen, nicht weiter als eine Viertelmeile entfernt. Doch da, wo sie sich über den Hafen spannte, sah er nun blaue, rote und weiße Lichter. Das geisterhafte Heulen von Sirenen und schwach knisterndes Funkrauschen lag in der Luft. Uniformierte Gestalten bewegten sich bei Scheinwerferlicht am Christianshavn-Ende der Brücke. Torben Hammelgaard war gefunden worden, und mit ihm, was immer er bei sich tragen mochte.

20. Kapitel
    Der Nachtclub Pussy Cat in Helgolandsgade um halb fünf am Samstagmorgen war ein rauchiger Raum voll elektronischer Musik und schaler Lüsternheit. Auf der kleinen, von Scheinwerfern angestrahlten Bühne spulten drei Mädchen, die nichts als fransenbesetzte Tangas und einen gelangweilten Gesichtsausdruck trugen, pflichtschuldig irgendeine pseudo-lesbische Routineübung ab. Am Tisch neben Harrys war ein übermüdeter Geschäftsmann auf seinem Stuhl eingeschlafen; neben ihm schlürfte eine barbusige Hosteß in dankbarem Schweigen Champagner. Harry nahm an, dass in den Separees ringsum die Nacht einen vitaleren Höhepunkt erreichte. Das einzige, was hier zu großäugigem Staunen nötigte, war die Rechnung, die man ihm gerade gebracht hatte. Sollte er beim Guiness-Buch der Rekorde anrufen und fragen, ob ihm ein solcher Preis für vier Biere, zwei Tassen Kaffee und eine Schachtel Streichhölzer einen Eintrag in der nächsten Ausgabe garantierte? Oder sollte er einfach höflich bezahlen, weil das für einen Mann in seiner Lage noch immer das beste war? Wo sonst hätte er um diese Zeit Zuflucht gefunden, ohne dass ihm jemand Fragen stellte? Wo sonst in ganz Kopenhagen hätte er hingehen sollen?
    Zerknirscht legte er die verlangte Anzahl von Hundertkronenscheinen auf das Tablett und gab der spitzenbeschürzten Kellnerin an der Bar ein Zeichen. Sie kam und nahm das Geld, lächelte gezwungen und wackelte mit bloßem Hinterteil davon. Nichts legt den sexuellen Appetit derart lahm wie Angst, dachte Harry, während er ihr nachsah. Das hätte schon längst jemand als empfängnisverhütendes Mittel vermarkten sollen.
    Doch sogar die Angst hat ihre Grenzen, und die Müdigkeit findet sie. Harry, zu erschöpft, um zu denken, stand auf und ging zur Tür. Das Kong Knud lag gleich um die Ecke. Es war noch zu früh, als dass die Polizei ihn dort hätte aufspüren können, und so spät, dass jeder, der das Hotel beobachtete,

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