Die Zauberquelle
blies die »mort«.
Als Sir Hubert auf die Lichtung am Weiher zurückkehrte, sah er, daß man Äste für eine Bahre gehackt hatte, und glaubte, man hätte sein Vorhaben erahnt. Er führte den großen Fuchs zu Fuß, den Leichnam seiner Schwiegertochter hatte er bäuchlings über den Sattel geworfen. Alles war blutverschmiert. Blut durchtränkte ihr Gewand und rann am Sattel herunter. Blut befleckte seine Kleidung, seine Stiefel und seine Ärmel, denn er hatte sie hochgehoben. Aber dann merkte er, daß ihn niemand beachtete, und als die Bahre zwischen zwei Pferden befestigt wurde, sah er, daß sie nicht für Petronilla bestimmt war, denn man hob Margaret darauf. Margaret und Peregrine, den man ihr bäuchlings auf den totenähnlichen Leib legte. Und da wußte er, daß er recht gehabt hatte: Selbst wenn er Petronilla hundertmal umgebracht hätte, nichts konnte ihm das Verlorene ersetzen. Wie hatte er nur nicht merken, nicht begreifen können, was er einst besessen hatte? Daneben hockte stumm und vornübergebeugt sein hochgewachsener zweiter Sohn. Wir werden nie wieder ein Wort wechseln, dachte er. Ist das alles meine Schuld? Von irgendwo hörte er einen gräßlichen Laut, und da wurde ihm klar, daß er ihn ausstieß, es war sein Schluchzen. Wie konnte es nur so weit kommen? Doch da war auch schon Sir Ralph an seiner Seite, und seine Stimme klang besorgt: »Sir Hubert, Sir Hubert«, sagte er. »Noch sind sie nicht tot. Beide atmen noch. Was bringt Ihr uns da?«
Sir Hubert holte tief Luft. Er glaubte dem Richter zwar nicht, doch er hatte in der Waldestiefe geprobt, was er sagen wollte. »Lady Petronilla hat sich aus Reue das Leben genommen«, sagte er. Der Richter musterte die blutbefleckte Kleidung des alten Mannes mit raschem Blick und dann seinen Messergriff. Keine Spur von Blut. In Petronillas Gürtel jedoch steckte ein Messer. Und das war blutverschmiert und -verkrustet, Blut, das auch an seinem eigenen guten Sattel herunterlief. Das reicht, dachte er. Aber sie muß vom Sattel herunter, sonst gehen die Blutflecken nie mehr heraus. Sir Hubert jedoch wußte sich keinen Reim auf seine Worte zu machen. Er schüttelte den Kopf. »Habt Ihr gesagt, beide leben?«
»Sie… Sie ist ins Wasser gewatet und hat ihn herausgezogen«, sagte der Richter. Sir Hubert blickte Sir Ralph ins bleiche Gesicht, dann musterte er die verstörten Mienen seiner Knechte. Einige lagen noch im Morast auf den Knien, hatten die Augen gen Himmel gerichtet und beteten unaufhörlich. Sie hat etwas gemacht, dachte der alte Mann. Sie hat es wieder einmal gemacht.
»Habe ich Euch nicht gesagt, daß Ihr sie auf Eurer Seite haben müßt«, sagte Sir Hubert.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was Ihr meint«, sagte der Richter. »Sind die Töchter auch so?«
»Nicht daß ich wüßte«, sagte der alte Ritter. Man hörte munteres Gurgeln und Glucksen, und da schoß das Wasser wieder aus der Quelle hoch. Sir Hubert betrachtete den Felsen. Er war trocken, nur hier und da funkelte er wie Kristall. »Vielleicht habt Ihr recht. Sie leben. Der Felsen ist wieder trocken.«
»Habt Ihr das mit dem Felsen schon immer gewußt?«
»Ja, aber noch nie im Leben gesehen. Habe es für ein Märchen gehalten«, sagte Sir Hubert.
»Und die Quelle sprudelt auch wieder«, sagte der Richter, aber er sah noch immer recht blaß aus.
»Soll das heißen, Margaret hat ihr Einhalt geboten?«
»Ja«, sagte der Richter. »Sie hat ihr befohlen, den Jungen auszuspucken, und sie hat gehorcht.« Er seufzte tief und erschauerte.
»Auch das habe ich immer für ein Märchen gehalten. Schade, daß ich es nicht gesehen habe.«
»Hätte ich lieber auch nicht«, sagte der Richter. »Mir hat die Welt gefallen, wie sie war. Geordnet.«
»Ha! Ihr Advokaten! Die Welt richtet sich nun einmal nicht nach Büchern! Vor allem nicht nach Gesetzbüchern.«
»Sollte sie aber«, sagte der Richter.
»Und wieso? Dann hätte ich meinen Enkel nicht wieder«, sagte Sir Hubert. Doch als er den trübseligen Zug musterte, der sich zur Burg aufmachte, da verspürte er nichts von seiner alten Selbstzufriedenheit, daß er seinen Kopf durchgesetzt hatte. Irgend etwas, ein Schmerz, wie er ihn noch nie gefühlt hatte, nagte an ihm. Reue, bittere Reue hatte die hohen Mauern seiner Zitadelle gestürmt.
Kapitel 26
A ls der Zug das Burgtor erreichte, folgten ihm der Dorfpriester und Scharen von schweigenden Dorfbewohnern. Jemand läutete die Glocke. Margaret und ihr Sohn lagen wie tot, und als sich die Kunde
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