Die Zauberquelle
geholfen, den Rauch zu vertreiben. Cecily preßte sich Mund und Nase zu und lief knallrot an, weil sie die Luft anhielt, und Alison, die ihre Nase mit Daumen und Zeigefinger zusammenkniff, nutzte die Situation und suchte nach weiteren Honigkuchen. »Laß das«, zischte ich, ließ die Tür los und packte Alison beim Nacken.
»Oh, was geht hier vor? Ein Fest? Margaret, dich habe ich ewig nicht mehr gesehen. Ah, da ist ja auch die Flasche mit dem Stärkungsmittel.« Er hob die irdene Flasche hoch und spähte hinein. »Und der Kessel da auf dem Feuer?« Er bückte sich zum Kamin und hob den Topfdeckel hoch. »Fürwahr, Suppe gibt es auch. Falls ich die Fähigkeit des Riechens durch den Gestank meines Experiments nicht völlig verloren habe, so möchte ich meinen, sie riecht gut. Nahrung! Wie konnte ich das nur vergessen! Mein Hirn braucht Stärkung – und Sim dürfte auch Hunger haben. Oh, ausgezeichnet, Hilde, meine Perle, wie habe ich jemals ohne dich leben können?« Während sich der Gestank verzog und verflüchtigte, stellte Mutter Hilde, deren Augen noch von dem beißenden Qualm tränten, zwei hölzerne Schüsseln mit Gemüsesuppe auf das Tischchen in der Diele und schnitt von einem schweren Laib dicke Scheiben Braunbrot ab. Malachi goß Wasser in ein Becken und wusch sich Hände und Gesicht, vergaß aber den Ruß hinter den Ohren und den Rand unter seinem Doppelkinn, während Sim, sein Lehrling, sich mit Händewaschen begnügte. Dann ließ Malachi sich nieder, rief ein ums andere Mal: »Ausgezeichnet, ausgezeichnet!« und vertilgte das Essen mit erstaunlicher Geschwindigkeit.
»Ein Meisterwerk, diese Suppe«, verkündete er auf der Bank, während ein gewaltiger Nachschlag in seiner umfangreichen Mitte verschwand. »Hilde, du hast dich selbst übertroffen. Es muß am Knoblauch liegen. Niemand weiß so gut damit umzugehen wie du. Und der Hauch Pfeffer von der Wurst – umwerfend. Ja, was ist, Cecily?« Cecily hatte abgewartet, bis Malachi milde und gesättigt dreinblickte, und wand sich jetzt verlegen, während sie nach Worten rang. Ganz leise und in der Hoffnung, daß ich ja nichts mitbekäme, sagte sie:
»Bruder Malachi, du kannst doch etwas in etwas anderes verwandeln, ja?«
»Aber gewiß doch«, erwiderte Malachi, »das gehört zum Beruf des Alchimisten.«
»Mutter hat gesagt, der Stein der Weisen verwandelt gewöhnliche Dinge in etwas Besseres, zum Beispiel Blei in Gold.«
»Nun ja, das tut er. Aber, meine kleine Cecily, ich muß gestehen, daß ich noch nicht ganz soweit bin.« Cecily konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.
»Dann ist der Weiße Stein nicht der Stein?«
»Noch nicht, Kind, noch nicht. Der Weiße Stein ist nur eine erforderliche Stufe in dem Verfahren. Wir wollen nicht daran mäkeln, aber der alles verwandelnde Stein ist er nicht.« Mutter Hilde setzte eine vielsagende Miene auf und schwieg, warf mir jedoch einen Blick zu. Wir täuschten Geschäftigkeit vor, spitzten aber die Ohren, damit wir die nächste Frage mitbekamen.
»Wann kriegst du dann den richtigen Stein? Du mußt etwas für mich verwandeln.«
»Was denn?«
»Bruder Malachi, wenn du den Stein der Weisen hast, kannst du mich dann in einen Jungen verwandeln?« Bruder Malachi verschluckte sich und legte den Suppenlöffel hin.
»Aber warum denn nur? Ich war immer der Meinung, daß du ein rundum hübsches Mädchen bist«, antwortete er taktvoll.
»Weil Jungen alles kriegen«, sagte Cecily ernst. »Sie dürfen jedes Pferd reiten und reisen, wohin sie wollen, und haben ein Schwert, mit dem sie ihre Feinde vernichten können. Und – und – sie müssen nicht stillsitzen und auch noch stundenlang sticken. Und sie dürfen reden und Ideen haben und müssen auf der Straße nicht die Augen niederschlagen, sondern kriegen alles mit, was passiert, und – und – Ladys müssen sie auch nicht sein. Ich will das auch nicht, und ich möchte gern ein Junge sein, weil das einfach besser ist.« Malachis rosige Miene drückte Besorgnis aus.
»Nun ja, zugegebenermaßen hat man es als Junge im großen und ganzen grundsätzlich besser«, sagte er nachdenklich, »aber wenn man es im Einzelfall bedenkt, so bekommen auch nicht alle Jungen die Dinge, die du aufzählst. Und dennoch, dennoch – in den Schriften wird dieses Argument völlig außer acht gelassen –, sonderbar, daß du darauf gekommen bist. Wenn es besser ist, ein Junge zu sein, wie es uns die Heilige Schrift versichert, und wenn der Stein der Weisen alle Dinge in ihre höhere
Weitere Kostenlose Bücher