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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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musterte mich mit gewitztem Blick. »Margaret, du siehst angegriffen aus. Zu viele Sorgen. Komm, leg die Füße auf den Schemel und koste das hier. Nein, Kinder, das ist nichts für euch. Das ist ein selbstgemachtes Stärkungsmittel ähnlich wie Johannisbeerwein, aber mit ein paar Zutaten von mir. Wenn ihr erwachsene Ladys seid, dann…« Die Mädchen blickten sich an. »Nanu, warum seht ihr euch so an?«
    »Sie haben letztens ihre Not mit dem höfischen Benehmen, Mutter Hilde. Sie glauben, wenn du das sagst, meinst du nie.«
    »Unfug. Ihr werdet schon bald Ladys. Zwölf, dreizehn Jahre – alt genug, daß man euch mit einem trefflichen Edelmann verloben und verheiraten kann. Was für ein Glück, daß ihr von eurem guten alten Vater eine schöne Mitgift bekommen werdet und durch euren Stiefvater gute Beziehungen habt. Ein Leben als Lady ist gar nicht so übel, wenn man sich erst daran gewohnt hat. Und, das könnt ihr mir glauben, es ist weitaus besser als alles andere.«
    Das Stärkungsmittel schmeckte eigenartig, wärmte und brachte mein Blut in Wallung. »Mutter Hilde, warum hast du nicht nach mir geschickt? Du weißt doch, daß ich zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen würde.«
    »Irgendwie ist alles so anders geworden.«
    »Anders geworden? Nichts ist anders geworden. O du liebe Zeit, hast du etwa gedacht, weil ich…«
    »Naja, du hast doch jetzt eine Menge vornehmer Freunde, seit wir von unserer Reise übers Meer nach London zurückgekehrt sind.«
    »Mutter Hilde! Das sind Geldfreunde und Schönwetterfreunde – schlicht und einfach falsche Freunde. Keine wahren Freunde wie du. Ach, was hat mir dieser gekaufte Rittertitel bislang an Ärger eingetragen! Wer hätte gedacht, daß er alles so durcheinanderbringen würde.«
    »Dann bist du doch noch die alte Margaret?«
    »Auf immer und ewig, Mutter Hilde«, sagte ich, und wir fielen uns in die Arme.
    »Du, Mutter Hilde, wann kommt Bruder Malachi heraus? Ich muß ihn etwas Wichtiges fragen«, sagte Cecily und störte unsere innige Versöhnungsszene. Mutter Hilde preßte ein Auge an eine Türritze und spähte ins Hinterzimmer, Bruder Malachis Laboratorium.
    »Da wir Besuch haben, wird es höchste Zeit, daß er herauskommt, Verfahren hin, Verfahren her. Augenblick. Cecily, gib mir das Handtuch, ich hebe den Deckel vom Suppentopf, vielleicht lockt ihn der Duft heraus. Er und Sim haben seit Mitternacht keinen Bissen mehr zu sich genommen, und da haben sie einen ganzen Laib Brot und ein paar Salzheringe verputzt.« Aber genau in dem Augenblick, als sie den Deckel anhob, hörte man im Hinterzimmer einen jähen Aufschrei und ein lautes Geräusch, das sich wie »Rums!« anhörte. Mutter Hilde fuhr der Schreck in die Glieder, sie ließ den Deckel auf den Topf fallen, als hätte das Hochheben den Krach ausgelöst und sie könnte ihn durch Wiederauflegen dämpfen. Die Tür zum Laboratorium flog auf, und stinkender Qualm quoll ins Zimmer. Inmitten der Wolke tauchte eine rundliche, kurz geratene Gestalt mit rußgeschwärztem Gesicht auf, die laut fluchte und sich die Funken aus dem Gewand schlug. Hinter ihr versuchte eine noch kürzer geratene und gleichermaßen verrußte Gestalt mit großem, schiefem Kopf, ein Junge in bräunlichem Kittel, den Rauch mit seiner Kappe fortzuwedeln.
    »Sim! Laß das! Dadurch stinkt es um so mehr«, rief Bruder Malachi. »Ach, Margaret! Auch da! Du bist soeben Zeuge eines historischen Augenblicks geworden! Ich habe…« Aber da hatte Mutter Hilde schon behende die Läden aufgerissen. Wind und Rauch bekämpften sich auf dem Fensterbrett, und unter den kalten Windstößen geriet das Feuer unter dem Topf ins Flackern und Schwanken.
    »O Malachi, Liebster, warum müssen historische Augenblicke immer so schlecht riechen?« fragte Mutter Hilde, rang nach Luft und fuchtelte mit den Händen vor dem Gesicht herum, als könnte sie damit die übelriechende Wolke vertreiben. Aber Malachi tanzte fast vor Aufregung, wenn ihm auch die Augen tränten.
    »Die schwarze Krähe! Sie ist geflogen! Mit dem neuesten Verfahren habe ich es geschafft! Von hier ist es nur noch ein Schritt bis zum Weißen Stein! Wenn sich der Rauch verzogen hat und der Schmelztiegel abgekühlt ist, sollte er sich unseren Augen darbieten. Ihr könnt mir glauben, das Verfahren des Arnoldus von Villanova ist so glasklar und anschaulich, wie ich noch keines in meinem ganzen Leben ausprobiert habe…« Auf einmal bemerkte er uns im Raum. Genau wie in alten Zeiten hatte ich die Tür aufgemacht und

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